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China will weg von Microsoft

 

Schon vor Jahren hatte die chinesische Führung die Devise ausgegeben: Das Land soll unabhängig von US-Technik werden, die Sicherheitslücken seien zu groß. Doch so eifrig die Tüftler in Zhongguancun, dem chinesischen Silicon Valley im Nordwesten Pekings, auch an einer Reihe von eigenen Betriebssystemen arbeiteten – zum Durchbruch kam es bislang nicht.

So ziemlich sämtliche chinesische Behörden, die meisten Banken und die Mehrheit der chinesischen Unternehmen nutzen auch weiter Microsofts Windows aus den USA, und zwar mehrheitlich die veraltete Version Windows XP. Der Druck war bislang offensichtlich nicht groß genug. Das könnte sich nun ändern. 

Vor ein paar Tagen hat Chinas mächtiges Staatsfernsehen CCTV einen Beitrag über die mangelnde Sicherheit des Microsoft-Betriebssystems Windows 8 ausgestrahlt. Darin werden Experten zitiert, die Microsoft beschuldigen, mit US-Geheimdiensten zusammenzuarbeiten. Sie rufen dazu auf, sämtliche US-Technikunternehmen künftig zu meiden, darunter auch Google, Yahoo, Cisco, IBM und sogar Apple. Chinas Regierung hat die Nutzung von Windows 8 auf Regierungsrechnern bereits verboten. 

Sie stellten allesamt eine „Gefahr für die nationale Sicherheit“ dar und könnten im Auftrag des US-Geheimdienstes NSA chinesischen Regierungsbehörden und Unternehmen wichtige Informationen stehlen. Da sie zentrale Stellen in der Netzinfrastruktur besetzten, könnten sie im Konfliktfall sogar ganze Systeme lahm legen, heißt es in auch in anderen chinesischen Staatsmedien. Facebook, Twitter und YouTube sind in China ohnehin seit einigen Jahren blockiert.

Hintergrund dieser jüngsten Drohgebärden sind Anschuldigungen der Amerikaner. Vor zwei Wochen erhob ein US-Gericht im Auftrag des US-Justizministeriums Anklage gegen fünf Offiziere der chinesischen Volksbefreiungsarmee. Das Gericht wirft ihnen vor, mindestens auf sechs Unternehmen Hackerangriffe verübt zu haben. Es handelte sich um die erste Anklage wegen Cyberspionage.

Peking reagierte empört und bestritt sämtliche Vorwürfe. Die chinesische Regierung und das Militär seien „niemals“ an Cyberdiebstahl von Handelsgeheimnissen beteiligt gewesen. Vielmehr solle sich die USA an die eigene Nase fassen. Der ehemalige NSA-Mitarbeiter Edward Snowden hatte vor einem Jahr die Aktivitäten der US-Geheimdienste offengelegt. Aus den Enthüllungen ging hervor, dass die USA auch Rechner chinesischer Behörden und Unternehmen gehackt und abgehorcht haben. Dabei hatten beide Länder eigentlich vereinbart, eine  gemeinsame Arbeitsgruppe zur Cybersicherheit zu gründen. Diese Zusammenarbeit kündigte Peking nun auf.

Nur leere Drohungen? Keineswegs. Die Anweisung an Chinas Behörden, sämtliche Rechner auf ein landeseigenes Betriebssystem umzustellen, dürfte zwar an so manch einer Amtsstube zumindest kurzfristig zu Chaos führen. Doch die Alternativen sind im Reich der Mitte bereits da. Einige Unternehmen nutzen bereits eine ganze Reihe von Varianten des offenen Betriebssystems Linux. Da der Quellcode hier offen liegt, sind sie von der Cybersicherheit her genauso gut wie eine komplett eigene Neuentwicklung am Reisbrett. Da Linux gut erprobt ist, handelt es sich hier um eine Abkürzung zum quasi-eigenen System.

Schon fürchten die genannten US-Unternehmen um ihre Geschäfte in der zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt. Diese Angst ist begründet.