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Hongkong stellt Freiheit vor Profit

 

Noch vor einigen Jahren wäre so etwas in Hongkong kaum vorstellbar gewesen: Vier große Unternehmen – PricewaterhouseCoopers, KPMG, Deloitte und Ernst & Young – warnen in einer Zeitungsanzeige vor Occupy Central. Die geplanten Proteste im Hongkonger Regierungs- und Bankenviertel gegen die chinesische Führung könnten „Instabilität und Chaos“ bringen und den Status Hongkongs als internationales Finanzzentrum gefährden.

Und was passiert? Nichts. Früher hätten solche Warnungen aus der Wirtschaft dafür gesorgt, dass der Protest in der ehemaligen britischen Kronkolonie sofort endet oder beendet wird. Zu wichtig war den meisten Hongkongern, dass die Börsenkurse nicht abstürzen und die Banken gute Geschäfte machen. Die Mehrheit der Bevölkerung galt als politisch wenig interessiert, Hauptsache die Wirtschaft läuft.

Das hat sich geändert. Fast 800.000 Hongkonger haben sich an einem Referendum für mehr Demokratie in der chinesischen Sonderverwaltungsregion beteiligt, das am Sonntag zu Ende ging. Die Führung in Peking erkennt dieses Referendum nicht an und verurteilte es bereits als „illegal und ungültig“. Die Organisatoren, die selbst nicht mit einer so hohen Beteiligung gerechnet hatten, fühlen sich hingegen bestätigt, an ihrem Protest festzuhalten und ihn sogar auszuweiten. Sie wollen bereits an diesem Dienstag, dem 17. Jahrestag der Rückgabe der früheren britischen Kronkolonie an die Volksrepublik am 1. Juli 1997, erneut zu Hunderttausenden auf die Straße ziehen. Die Warnungen der Unternehmer haben für die Hongkonger offenbar den Schrecken verloren.

Die Entwicklung zeichnete sich bereits seit geraumer Zeit an. Seitdem Festlandschinesen fast ohne Beschränkungen Hongkong besuchen dürfen, platzt die Metropole aus allen Nähten. Die Immobilienpreise sind ins Unermessliche gestiegen. Die Industrie ist über die Grenze ins restliche China abgewandert. Wer nicht in der Finanzbranche oder im Servicesektor für die Millionen von chinesischen Touristen arbeitet, die jedes Wochenende und an den zahlreichen chinesischen Feiertagen die Stadt überschwemmen, findet kaum mehr ein Auskommen. Während Hongkongs Superreiche immer reicher werden, schrumpft Hongkongs Mittelschicht und droht zu verarmen.

Die hohe Protestbereitschaft der Hongkonger Bürger zeigt, dass viele der Auffassung sind, nicht mehr viel verlieren zu können. Angeheizt wird der allgemeine Unmut von einem sogenannten Weißen Papier, dass Peking vor wenigen Wochen veröffentlicht hat und indirekt den bisherigen Sonderstatus infrage stellt.

Als Sonderverwaltungszone genießt Hongkong bislang Teilautonomie mit Meinungs- und Versammlungsfreiheit. Die chinesische Führung hatte den Hongkongern zudem zugesagt, ihren Regierungschef 2017 erstmals frei wählen zu dürfen. Das wird von Peking aber mittlerweile infrage gestellt. Die Angst wächst, Peking werde auch künftig den Regierungschef nominieren. Das Hongkonger Parlament, dessen Abgeordnete zum Großteil ebenfalls von der chinesischen Regierung ernannt werden, nickt den Vorschlag dann bloß noch ab.

Die Initiatoren der Protestbewegung Occupy Central haben angekündigt, dass sie mit der Besetzung des Regierungs- und Bankenviertels noch warten wollen. Zunächst einmal würden sie die Vorschläge einer Wahlreform aus Peking abwarten.

So lange will Hongkongs Juristenvereinigung nicht warten. Sie hatte ihre Mitglieder bereits zu vergangenem Freitag zu Protesten aufgerufen. Hunderte Anwälte und Richter folgten dem Aufruf. In dem Weißbuch der Pekinger Führung werden Richter nur noch als „Verwaltungsbeamte“ beschrieben, von denen „Vaterlandsliebe“ abverlangt werde. Die Hongkonger Juristen sehen in diesem Passus die bislang geltende Unabhängigkeit der Justiz gefährdet. Und ohne Rechtssicherheit sei die wirtschaftliche Stabilität Hongkongs ebenfalls gefährdet.