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Chinas Führung schmückt sich gern mit Merkel

 

Der Besuch von Mo Ke’er Zongli, wie Angela Merkel auf Chinesisch genannt wird, ist in China schon lange keine Besonderheit mehr. Bereits sieben Mal hat die Bundeskanzlerin in ihrer Amtszeit die Volksrepublik besucht – mindestens drei Mal wird sie allein in diesem Jahr auf den chinesischen Staatspräsidenten Xi Jinping treffen.

Ende März war Xi zuletzt auf Staatsbesuch in Berlin. Merkels am Samstag begonnener Besuch in der südwestchinesischen Metropole Chengdu und in Peking wird laut chinesischem Protokoll ebenfalls zum „Staatsbesuch“ aufgewertet. Und im Oktober stehen deutsch-chinesische Regierungskonsultationen in Berlin an, bei denen sogar die halben Kabinette beider Länder zusammenkommen werden. Das häufige Aufeinandertreffen hat einen Grund: Die chinesische Führung schmückt sich gern mit der deutschen Kanzlerin.

An erster Stelle steht aus chinesischer Sicht der brummende Handel zwischen beiden Ländern. Seit einigen Jahren ist Deutschland Chinas wichtigster Handelspartner in Europa und die Nummer fünf im weltweiten Vergleich. Allein im vergangenen Jahr führten die Chinesen Waren im Wert von 73,4 Milliarden Euro nach Deutschland aus. Der Import lag mit 67 Milliarden Euro nur knapp darunter.

Deutsche Großunternehmen wie VW oder BASF erwirtschaften bis zu einem Drittel ihres Umsatzes in China. Während einige internationale Unternehmen inzwischen Zweifel am chinesischen Wachstumsmodell hegen, wird das anhaltende Engagement der deutschen Unternehmen von der chinesischen Führung als Vertrauensbeweis wahrgenommen.

Um diesen exzellenten Handelsbeziehungen Ausdruck zu verleihen, hatte China zu Jahresbeginn in Berlin seine europaweit erste Handelskammer eröffnet. Wichtigster Tagesordnungspunkt bei Merkels diesmaligem China-Besuch ist die Gründung eines deutsch-chinesischen Ausschusses, der mit hochrangigen Wirtschaftsvertretern beider Länder besetzt ist. Er soll den Regierungen beim weiteren Ausbau der Beziehungen künftig beratend zur Seite stehen.

Vor allem aber die weitgehend ausgeglichene Handelsbilanz mit Deutschland ist aus chinesischer Sicht von großer Bedeutung. Die USA beklagen sich seit Jahren, dass China seine produzierten Waren auf dem Weltmarkt zu billig anbietet und damit seine Handelsbilanzüberschüsse nach oben treibt. Peking weist die Vorwürfe von sich und gibt die Schuld der Schwäche der US-Wirtschaft. Waren aus den USA seien einfach nicht attraktiv genug für chinesische Konsumenten. Deutschland hingegen biete vor allem mit seinen Autos und hochwertigen Maschinen Produkte, die auch China benötige. Daher werde in der Volksrepublik in etwa genauso viel aus Deutschland importiert wie ausgeführt.

Ein Dorn im Auge ist aus Pekings Sicht auch der Versuch der US-Regierung, China weltwirtschaftlich zu isolieren. Über transkontinentale Freihandelsabkommen zwischen Europa und Nordamerika, sowie bilateralen Abkommen ähnlicher Art zwischen weiteren großen Volkswirtschaften Südostasiens will Washington die Volksrepublik in Welthandelsfragen ausgrenzen.

Deutschland, das mit seinen Firmen in China aber beste Geschäfte macht, hat an einer solchen Ausgrenzung wenig Interesse. Auch daher setzt die chinesische Führung verstärkt auf Merkel, die die chinesische Regierung als verlässlich und – anders als etwa Großbritanniens Premierminister David Cameron oder Frankreichs Präsident François Hollande – als „wenig sprunghaft“ empfindet.

Zugleich nutzt Chinas Führung Merkel im eigenen Land als Aushängeschild. Sie wird in China als „mächtig“ dargestellt, die durchgreift sowie für finanzpolitische Ordnung und für Stabilität auf dem gesamten europäischen Kontinent sorgt. Mit diesen Eigenschaften schmückt sich die chinesische Führung gerne selbst. Dass Merkel mit ihrer Sparpolitik auch das Wirtschaftswachstum abbremst, wird nur kaum erwähnt oder ebenfalls als ehrenwerte Tugend dargestellt. Auch Chinas Provinzen und Spitzenfunktionäre werden nach Jahren des Prassens zum Sparen angemahnt.

Einen Makel haben die deutsch-chinesischen Beziehungen dann aber doch: die weiterhin verweigerte Ausreise des Künstlers und scharfen Kritikers der chinesischen Führung Ai Weiwei. In Berlin läuft derzeit seine Ausstellung, die er gerne selbst besucht hätte. Seit seiner Inhaftierung 2011 wird ihm jedoch der Pass verweigert, ohne den er nicht ausreisen darf. Die Bundesregierung hatte sich mehrfach für ihn eingesetzt. Sehr wahrscheinlich wird die Kanzlerin  auch dieses Mal auf taube Ohren stoßen.