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Chinas Führung will Microsoft loswerden

 

Angekündigt hatte es die chinesische Führung bereits diverse Male, nun macht sie Ernst. Bereits im Oktober will China eine Alternative zu Microsoft und Apple anbieten und ein eigenes Betriebssystem auf den Markt bringen. Unter dem Namen OS soll es für Desktop-Rechner zur Verfügung stehen. Mobile Varianten für Tablets und Smartphones sollen im Laufe des nächsten Jahres folgen.

Der Leiter der im März eigens zu diesem Zweck gegründeten Forschungsgruppe geht davon aus, dass das chinesische Betriebssystem innerhalb der nächsten ein bis zwei Jahre die meisten ausländischen Produkte auf Computern in China ersetzen werde. Auf mobilen Geräten werde die Umstellung drei bis fünf Jahre dauern.

Damit beschreitet China einen Weg, dem viele andere Länder auch gerne folgen würden. Die weltweite Dominanz vor allem von Microsoft ist vielen Regierungen und professionellen Nutzern ein Dorn im Auge. Vor allem die Enthüllungen des ehemaligen US-Geheimdienstmitarbeiters Edward Snowden haben offenbart, wie anfällig die weltweite Computertechnologie ist. Offenbar haben US-Spione auch chinesische Rechner in großem Maßstab ausgespäht.

Microsoft selbst hat aber auch dazu beigetragen, dass Chinas Führung schleunigst weg will von Windows. Die Microsoft-Firmenleitung in Redmond im US-Bundesstaat Washington hatte im April ohne große Vorwarnung die Unterstützung für Windows XP eingestellt. In China liefen zu dem Zeitpunkt aber noch über 200 Millionen Rechner mit XP, unter anderem viele Behördenrechner. Microsoft kontrolliert mit seinen Betriebssystemen derzeit rund 95 Prozent des Marktes in China. Das US-Unternehmen hat damit de facto ein Monopol.

Das plötzliche Ende von XP befeuerte das Bestreben der chinesischen Führung, sich künftig unabhängig von Microsoft zu machen. Sie will nicht mehr länger den Launen eines einzigen Unternehmens ausgesetzt zu sein, das auch noch im Ausland sitzt. Um ihr Ziel zu erreichen, geht sie auf mehreren Ebenen vor.

So nehmen sich die chinesischen Kartellwächter ihre Kollegen in Europa zum Vorbild und ermitteln gegen Microsoft derzeit wegen angeblicher Verstöße gegen das Wettbewerbsrecht. Weil Microsofts Internetbrowser Explorer und der Media Player oft im Paket mit dem Betriebssystem Windows und der Bürosoftware Office angeboten werden, gelang es den Kartellwächtern, dem US-Softwarekonzern eine marktbeherrschende Stellung nachzuweisen. Die EU-Kommission hat bereits eine Strafe in Höhe von knapp 1,4 Milliarden Euro gegen Microsoft verhängt.

Bereits im Mai untersagte Peking zudem sämtlichen öffentlichen Stellen die Nutzung von Windows 8, dem neuesten Betriebssystem von Microsoft. Die Staatsangestellten werden jetzt dazu angehalten, auf das Linux-basierte Betriebssystem Ubuntu Kylin der britischen Firma Canonical umzustellen.

Auch das nun angekündigte chinesische Betriebssystem soll auf dem von Canonical entwickelten Linux-System basieren. Angeblich hat Canonical zusammen mit der chinesischen Universität für Verteidigungstechnologie Ubunty Kylin lediglich an die speziellen Bedürfnisse der chinesischen Nutzer anpassen müssen. Der technische Aufwand soll gar nicht so groß gewesen sein.

Viel schwieriger wird es, das Betriebssystem auch landesweit zu etablieren. Die Behörden können dazu verpflichtet werden. Doch werden auch private Nutzer das neue Betriebssystem annehmen? Genau daran sind auch schon andere Länder gescheitert. In China stehen die Chancen aber nicht schlecht.

Auch Google, Facebook und Twitter waren in der Volksrepublik auf bestem Weg, die Marktmacht zu übernehmen. China sperrte daraufhin Facebook und Twitter, die Nutzung von Google wird regelmäßig erschwert. Die heimischen Anbieter wie Baidu und Sina-Weibo konnten sich durchsetzen. Sie zählen nun zu den Plattformen mit den meisten Nutzern der Welt. Chinas Zensur hat’s möglich gemacht.