Mit so heftigen Auseinandersetzungen hatten die Aktivisten nicht gerechnet. Am Wochenende griffen muskelbepackte Schläger immer wieder die Blockadecamps der Demonstranten in Hongkong an. Die zumeist jungen Aktivisten versuchten mit erhobenen Händen zu beschwichtigen. Aber gegen die offenbar gut organisierten Angreifer hatten sie kaum Chancen. Vor allem bei den Blockaden im Geschäftsviertel Mongkok kam es immer wieder zu handfesten Auseinandersetzungen. Bis Sonntagabend zählte die Hongkonger Krankenhausverwaltung 165 Verletzte.
Hongkongs bei den Demonstranten verhasster Regierungschef Leung Chun-ying nahm diese hässlichen Szenen zum Anlass, die Aktivisten aufzufordern, die Blockaden bis Montagmorgen zu beenden. Dieser Aufforderung sind die Demonstranten nachgekommen – auch wenn sie betonen, dass ihre Proteste damit noch lange nicht beendet sind. Sie fordern im Gegenzug eine genaue Untersuchung der Vorfälle.
Wer genau hinter diesen Schlägern steht, ist bislang nicht klar. Hongkonger Politiker der Demokratischen Partei vermuten organisierte Triaden oder gar die Hongkonger Regierung hinter diesen Attacken – was diese prompt von sich weist. Fest steht: Unter den aggressiven Gegendemonstranten befanden sich auch viele ältere Hongkonger Bürger, vor allem Geschäftstreibende.
Viele von ihnen haben wegen der Blockaden erhebliche wirtschaftliche Einbußen erlitten. Volkswirte der ANZ Banking Group schätzen, dass dem Einzelhandel in der vergangenen Woche ein Schaden von etwa 2,2 Milliarden Hongkong-Dollar (rund 230 Millionen Euro) entstanden ist.
Reisen nach Hongkong untersagt
Für die Sieben-Millionen-Metropole ist das eine Menge. Neben der Finanzindustrie ist Hongkong stark abhängig vom Tourismus, vor allem von Reisenden vom chinesischen Festland. Die erste Oktoberwoche ist in China zudem eine sehr beliebte Reisezeit. Viele Chinesen aus der Volksrepublik nutzen die Tage um den Nationalfeiertag für ausgiebige Einkaufstouren in Hongkong. Denn in der südchinesischen Sonderverwaltungszone wird keine Mehrwertsteuer erhoben. Für Hongkongs Tourismus- und Einzelhandelsbranche sind es die umsatzstärksten Tage im Jahr.
Aufgrund der Proteste haben chinesische Behörden in der vergangenen Woche Gruppenreisen nach Hongkong komplett untergesagt. Einzelreisen sind zwar noch gestattet – aber auch hier ist die Zahl deutlich gesunken. Die Hongkonger Uhrenindustrie beklagt einen Rückgang der Verkäufe um 60 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum, die Gastronomiebranche sogar einen um 70 Prozent. Chinesische Touristen machen inzwischen rund zwei Drittel aller Besuche in der Wirtschaftsmetropole aus, im vergangen Jahr waren es insgesamt 41 Millionen.
Auch Großbritannien, die USA, Kanada, Australien, Frankreich, Italien und Deutschland haben für Hongkong eine Reisewarnung ausgesprochen. Internationale Firmen wie L’Oréal haben ihren Angestellten die Reisen komplett verboten. Das ist übertrieben. Hätte es den Tränengas-Einsatz der Polizei am ersten Blockadetag und die Schlägertrupps auf Seiten der Gegendemonstranten nicht gegeben, wären die Hongkonger Demonstranten wahrscheinlich als äußerst friedliche Massenproteste in die jüngere Geschichte eingegangen.
Noch sehr viel schwerwiegender wäre der Schaden für die Finanzindustrie gewesen, wenn an der Börse der Handel ausgesetzt worden wäre. Hongkongs Börse ist die zweitgrößte Asiens und die sechstgrößte der Welt. Die Stadt ist zugleich Asiens zweitgrößter Markt für Beteiligungskapital sowohl privater als auch institutioneller Anleger. 70 der 100 weltweit größten Banken sind in Hongkong tätig. An den ersten zwei Tagen der vergangenen Woche, als die Hongkonger Börsen noch regulär gehandelt haben, sind die Aktienindizes tatsächlich gefallen. Doch bereits ab Mittwoch war wegen der Feiertage auch für die Banker frei und der Handel fiel aus. Dieser Schaden blieb also begrenzt.