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Daimler will chinesischer werden

 

In Europa steht ein Mercedes für Luxus und Prestige. Und ein Modell der S-Klasse wird von vielen nach wie vor als höherwertiger angesehen als andere Modelle von Audi oder BMW. Doch nicht in China. Seit Jahren ist Audi der Platzhirsch unter den Premiumherstellern, dicht gefolgt von BMW. Daimler kommt weit abgeschlagen auf Platz 3. Medienberichte und Beschwerden im Internet über den angeblich miserablen Kundenservice hatte Mercedes sogar zeitweise den Ruf eingebracht, den „teuersten Schrott – made in Germany“ zu verkaufen.

Zur Verbesserung des Kundendienstes hat Chinas Daimler-Chef Hubertus Troska bereits eine Reihe von Maßnahmen in die Wege geleitet. So hat Daimler seine Händler geschult und das Vertriebsnetz in den vergangenen zwei Jahren ausgebaut. Im Schnitt eröffnet Daimler derzeit pro Woche zwei neue Autohäuser in der Volksrepublik. Nun will der Stuttgarter Konzern auch bei der Modellentwicklung stärker auf die Bedürfnisse der Chinesen eingehen.

Am Montag hat der Stuttgarter Autokonzern in Peking ein neues Forschungs- und Entwicklungszentrum (R&D-Centre) eröffnet, dass Troskas Worten zufolge „der Stimme unserer chinesischen Kunden ein noch stärkeres Gewicht“ verleihen soll. „Wir müssen uns tiefer in China verwurzeln, um Autos zu bauen, die bestens zu China passen“, kündigte er an.

Insgesamt hat Daimler in Peking in den vergangenen Jahren umgerechnet rund 110 Millionen Euro für Forschung und Entwicklung ausgegeben. Die chinesische Führung macht es ausländischen Unternehmen zwar ohnehin zur Bedingung, auch kräftig in die Forschung zu investieren, wenn sie in China expandieren wollen. Doch Troska versichert, Daimler habe sehr viel mehr Geld investiert als gefordert. Rund 500 Ingenieure und 40 Designer sollen künftig in diesem neuen Forschungszentrum in Peking an den Modellen arbeiten. Im Gegenzug hat die Stuttgart allerdings das Entwicklungszentrum in Japan entsprechend verkleinert und Personal abgebaut.

Herzstück des Pekinger Zentrums sind neben einem Design-Studio Abteilungen, die sich speziell mit den aktuellen Entwicklungen in der chinesischen Gesellschaft beschäftigen und versuchen, allgemeine und längerfristige Trends in China aufzuspüren.

So bevorzugen chinesische Kunden derzeit eher beige-und erdfarbene Töne oder ein kräftiges Rot, während im Westen dunkle Farben angesagt sind. Und während Deutsche etwa den Geruch von Leder mit Luxus verbinden, entwickelt der chinesische Kunde ein ähnliches Gefühl, wenn er Teak-Holz riecht.

Daimler ist keineswegs der erste ausländische Autokonzern, der Modelle anbieten will, die speziell auf die chinesische Kundschaft ausgerichtet ist. Volkswagen hat mit Bora, Sagitar und Magotan schon seit Jahren Modelle auf dem Markt, die die Wolfsburger ausschließlich für den chinesischen Markt anbieten. Dabei handelt es sich um leicht modifizierte Jettas und Passats. Und auch Audi verkauft seinen A6 und seinen A4 für den chinesischen Autokäufer in langgezogenen Versionen. Die Audi-Entwickler gehen davon aus, dass reiche Chinesen auf lange Limousinen stehen.

Mit einer Modelloffensive plant Daimler bis Ende des kommenden Jahres für China 20 neue Fahrzeuge. Neben modifizierten Modellen der S- und C-Klasse ist wohl auch eine Neuauflage der Luxusmarke Maybach im Gespräch. Daimler hatte die Produktion 2012 eingestellt, weil der Jahresabsatz bei nur 200 Stück lag.

China ist inzwischen der größte Automarkt der Welt und dürfte diesen Status auch für lange Zeit behalten. Wie bis vor zehn Jahren will Daimler wiederum bis 2020 wieder weltweit größter Premiumhersteller werden. Das ist aber noch ein weiter Weg. Nach Schätzungen von LMC Automotive wird Audi in China in diesem Jahr rund 580.000 Fahrzeuge absetzen, BMW folgt mit 450.000 auf den zweiten Platz. Daimler hingegen wird wohl in diesem Jahr wohl gerade einmal rund 290.000 Stück verkaufen.