Chinesen können Hochgeschwindigkeitszüge bauen, Superrechner entwickeln, und eine Mondlandung ist ihnen auch schon gelungen. Beim Bau von Passagierflugzeugen tat sich die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt bislang jedoch schwer. Das dürfte sich nun rasch ändern.
Chinesische Medien berichten, dass noch in diesem Jahr ein Mittelstreckenflieger aus rein chinesischer Fabrikation zu ersten Testflügen abheben wird. Chinas Staatskonzern Comac habe die Fertigung seines C919 grundsätzlich abgeschlossen. In der Maschine mit einer Reichweite von bis zu 5.500 Kilometern sollen bis zu 170 Passagiere Platz nehmen können. Bereits im nächsten Jahr könnte der C919 in Konkurrenz zum Airbus A320 und zur Boeing 737 in Serienproduktion gehen. In den Berichten heißt es, dass es für dieses Flugzeug weltweit bereits 450 Bestellungen gebe.
Recht zügig will Comac dann auch mit dem Bau eines Großraumflugzeugs für 300 Passagiere beginnen, des C929. Dessen erste Testflüge sind für 2020 geplant. Der C929 soll ohne Zwischenlandung bis zu 9.000 Kilometer weit fliegen können und wäre vergleichbar mit dem Airbus A330 oder dem Dreamliner von Boeing. Regionaljets für 90 Passagiere hat das chinesische Staatsunternehmen bereits im vergangenen November während der Luftfahrtschau in der südchinesischen Industriestadt Zhuhai vorgestellt.
Die Entwicklung eigener Mittelstrecken- und Großraumflugzeuge ist technologisch und ökonomisch ein gewaltiges Unterfangen und durchaus vergleichbar mit einer Mondlandung. Die Entwicklung eines modernen Großraumflugzeugs kostet bis zu zehn Milliarden Euro. Private Geldgeber finden sich für so hohe Entwicklungskosten nur sehr selten. Nur mit staatlicher Hilfe großer Volkswirtschaften lassen sich diese hohen Kosten stemmen.
Obwohl es in der Geschichte der zivilen Luftfahrt immer wieder Versuche kleinerer Länder gab, eine eigene zivile Flugzeugindustrie aufzubauen, sind in den vergangenen knapp 20 Jahren nur noch zwei Hersteller von Mittelstrecken- und Großraumflugzeugen übrig geblieben: Boeing in den USA und EADS mit dem Airbus in der Europäischen Union. In Russland haben sich die diversen russischen Flugzeugbauer zusammengeschlossen und arbeiten an neuen Typen, wegen der Wirtschaftskrise stockt die Entwicklung momentan aber. Brasilien mit Embraer und Kanada mit Bombardier haben es immerhin geschafft, sich auf dem Markt für Regionaljets mit Platz für bis zu 130 Passagiere zu behaupten.
Mit Know-how von der Konkurrenz
Chinas Führung hatte sich vor zehn Jahren zum Ziel gesetzt, mit der Entwicklung eigener Maschinen dem Duopol Airbus und Boeing Konkurrenz zu machen. Anfangs wurden die Chinesen noch belächelt. Doch Peking gelang es über geschickte Verhandlungen, sowohl Airbus als auch Boeing dazu zu verpflichten, mit Endmontagefabriken in der ostchinesischen Hafenstadt Tianjin eine Zusammenarbeit mit dem chinesischen Flugzeugbauer Comac einzugehen.
An dieser Zusammenarbeit verdient das Duopol zwar kräftig mit. Die Volksrepublik ist seit Jahren der am schnellsten wachsende Markt der zivilen Flugzeugindustrie. Allein 2013 verkaufte Airbus an die Chinesen 133 Passagierflugzeuge, Boeing sogar 143. Über diese Kooperationen konnten die Chinesen aber zugleich sehr viel technisches Wissen von Airbus und Boeing abgreifen. In weniger als nur einem Jahrzehnt hat Comac einen Entwicklungsschub vollzogen, für den Airbus und Boeing Jahrzehnte benötigte.
Doch die künftigen Comac-Maschinen versprechen, nicht nur technisch mit der westlichen Konkurrenz mithalten zu können. Preislich werden die chinesischen Maschinen aller Voraussicht nach sogar günstiger sein. Der bereits von Comac entwickelte Regionaljet ARJ21 soll rund zehn Prozent unter dem Preis einer vergleichbaren Maschine von Bombardier liegen.
Auch an Abnehmern dürfte es nicht fehlen. Schon der Eigenbedarf ist gigantisch. Und so wie bei europäischen Fluggesellschaften Maschinen von Airbus dominieren und die US-Fluggesellschaften Boeings bevorzugen, ist davon auszugehen, dass die chinesische Führung ihre Fluggesellschaften dazu verpflichten wird, Comac-Maschinen abzunehmen. Die meisten chinesischen Fluggesellschaften befinden sich ohnehin in staatlicher Hand. Aber auch andere aufstrebende Länder, vor allem in Afrika und Lateinamerika, mit denen China enge wirtschaftliche Beziehungen pflegt, zeigen Interesse. Für die Republik Kongo hat Peking schon finanzielle Beihilfen beim Kauf von Comac-Maschinen zugesagt.
Verzagen müssen Boeing und Airbus angesichts der neuen Konkurrenz aus Fernost aber nicht. Der US-Flugzeugbauer hat in einer eigenen Studie errechnet, dass China bis 2029 seinen Flottenbestand von derzeit rund 1.500 Fliegern auf über 5.000 mehr als verdreifachen wird. Da werden auch reichlich Aufträge für Airbus und Boeing übrig bleiben.