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China plant den Machtgewinn

 

Die Beratungen, die von heute an in Peking laufen, haben es in sich: Das Zentralkomitee von Chinas Kommunistischer Partei berät über den neuen Fünfjahresplan. Vier Tage lang werden die 300 Parteikader sich damit befassen.

Fünfjahresplan, das klingt wie ein Relikt aus längst vergangener Zeit. Einst legte das Zentralkomitee durch ihn tatsächlich fest, wie viel Paar Hosen jedem einzelnen Fabrikarbeiter in den kommenden fünf Jahren zustehen würden, und sie bestimmten den genauen Jahresertrag jeder einzelnen Produktionsstätte im Voraus. Doch heute sind die Fünfjahrespläne sehr viel umfassender. In ihnen geht es um nichts Geringeres als um den Kurs der zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt im nächsten halben Jahrzehnt.

Im neuen Fünfjahresplan gibt es Förderprogramme für Elektromobilität, Robotertechnik oder Biotechnologie. Durch ihn beschließt die chinesische Führung neue Umweltauflagen, und sie erörtert, welche weiteren Schritte erforderlich sind, um Chinas Finanzmärkte konkurrenzfähig zu machen mit denen von London, Tokyo und New York. Ebenfalls großen Raum einnehmen dürften Chinas ehrgeizige Pläne, ganz Zentralasien mit Autobahnen und Hochgeschwindigkeitszügen auszustatten.

Zudem will die chinesische Führung im neuen Fünfjahresplan das Ziel formulieren, bis 2020 eine Verdopplung des BIP pro Kopf im Vergleich zu 2010 zu erreichen – trotz des zuletzt deutlich langsameren Wachstums.

Um grundsätzliche Fragen geht es in den Beratungen auch. Aber die Debatte dreht sich längst nicht mehr darum, wie viel Markt oder Marx China braucht. Marx ist passé, heute geht es darum, wie viel mehr noch dereguliert werden muss, damit China endgültig mit den westlichen Industrieländern mithalten kann. Die grundsätzliche Richtung hatte Chinas Premierminister Li Keqiang bereits beim Dritten Plenum vor zwei Jahren vorgegeben: „Die Volksrepublik befindet sich auf dem Weg zu einer freien Marktwirtschaft“, wiederholt er seitdem wie ein Mantra.

Obwohl es den Fünfjahresplan noch gibt: Nach sozialistischer Planwirtschaft klingt das kaum. Doch der Ablauf der Beratungen ist noch fast genauso geblieben, wie er zu Sowjetzeiten war. Zehntausende Statistiker, Ingenieure, Juristen, Ökonomen und Soziologen im ganzen Land mussten in den vergangenen Monaten Millionen von Wirtschafts- und Sozialdaten zusammentragen, um den KP-Führern ein umfassendes Bild über den derzeitigen Zustand der chinesischen Volkswirtschaft zu erstellen.

Zudem hält die Führung auch weiter an festen Zielvorgaben fest. Zentrale Größe für das ganze Land bleibt die Wachstumsrate. Angesichts des sich verlangsamenden Wirtschaftswachstums hat Premier Li in den vergangenen Monaten zwar mehrfach betont, das zu Jahresbeginn vorgegebene Wachstumsziel von sieben Prozent sei nicht in Stein gemeißelt. Ein ungefährer Wert würde es auch tun. Doch jede Provinzregierung und jedes Staatsunternehmen muss sich auch weiter daran messen, ob sie die Vorgabe bis zum Ende des Jahres tatsächlich erreicht. Die meisten anderen Regierungen dieser Welt bemühen sich in der Regel lediglich um eine möglichst exakte Prognose. Konkrete Zielwerte geben sie nicht vor.

Weitere Ziele des neuen Fünfjahresplans sind: Die Zahl der Menschen, die unter der Armutsgrenze leben, derzeit noch rund 70 Millionen, soll bis 2020 auf null sinken. Um die niedrige Geburtenrate wieder leicht anzuheben, wird der neue Fünfjahresplan aller Voraussicht nach einen entsprechenden Passus enthalten, der Chinas bereits in den letzten Jahren deutlich gelockerten Einkindpolitik endgültig ein Ende setzt. Und nicht zuletzt mit Blick auf die Klimaverhandlungen Ende des Jahres in Paris wird die chinesische Führung im nächsten Fünfjahresplan weitere konkrete Ziele zur Reduktion von CO2 nennen.

Auch wenn die meisten dieser Ziele schon zum Ende der Woche vorliegen werden und vieles davon sicherlich auch an die Öffentlichkeit durchsickern wird – der endgültige Fünfjahresplan wird wie gehabt erst im Frühjahr zum Nationalen Volkskongress veröffentlicht. Mit allen sozialistischen Gewohnheiten will die KP-Führung dann doch nicht brechen.