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Die USA als Provokateur im Südchinesischen Meer

 

Ein ganz schön gefährliches Manöver, was sich die USA derzeit im Südchinesischen Meer leisten: Sie schickten am Dienstag den Raketenzerstörer „Lassen“ in das umstrittene Gewässer und ließen ihn vor einem der von China aufgeschütteten Riffe kreuzen, mitten im Archipel der Spratly-Inseln. Da die USA diese Inseln nicht als Territorium der Volksrepublik anerkennen, sieht die US-Regierung in dieser Aktion auch keinen Verstoß gegen Internationales Seerecht.

Die chinesische Führung in Peking tobt dennoch. Sie bestellte am Mittwoch in Peking den US-Botschafter ein. Chinas Außenminister Wang Yi bezeichnete das Vorgehen der USA als „illegal“ und forderte Washington auf, das amerikanisch-chinesische Verhältnis nicht aufs Spiel zu setzen. Es handele sich um einen „gefährlichen und provokativen Schritt“, der Chinas Souveränität bedrohe. Die USA ein Provokateur? Die Antwort ist eindeutig: Ja. 

Seit Jahren streiten sich China und die Anrainerstaaten um die rund 200 Inseln im Südchinesischen Meer. Bei den meisten von ihnen handelt es sich um Korallenriffe und Sandbänke und sind damit unbewohnbar. Allerdings werden auf dem Meeresgrund enorme Mengen an Rohöl und Erdgas vermutet. Zudem verkehrt mehr als die Hälfte des weltweiten Tankverkehrs durch dieses Gewässer. Es gilt daher strategisch als äußerst wichtig. Neben China erheben auch Vietnam, Taiwan, Malaysia und die Philippinen Anspruch auf diese Inseln. Die USA schlagen sich auf Seiten der kleineren Staaten. Doch das ist nur vorgeschoben. Tatsächlich nutzt Washington den Streit vor allem, um Chinas wachsenden Einfluss einzudämmen.

Auch China zeigt sich auf seine Art aggressiv. Seit etwas mehr als einem Jahr ist die chinesische Regierung dabei, einige der Riffe aufzuschütten. Damit will Peking seine Kontrahenten vor vollendete Tatsachen stellen. Die USA gehen davon aus, dass China auf diese Weise bereits eine Fläche von vier Quadratkilometern geschaffen hat, unter anderem eine Landebahn für Militärjets im Bau.

Doch auf eine militärische Konfrontation mit den USA wollen es die Chinesen nicht ankommen lassen. Zumindest derzeit nicht. Die chinesische Führung reagiert auf Vorstöße der Amerikaner demnach äußerst nervös. Erst zögerte sie mit einer klaren Stellungnahme und wollte zunächst sicherstellen, dass es sich bei dem Gefährt auch wirklich um ein Kriegsschiff der US-Marine handelt. Dann drohte sie mit „ernsthaften Konsequenzen“ ohne jedoch auszuführen in welcher Form.

Die Amerikaner wissen um Pekings Nervosität – und sticheln wann immer möglich. So war erst im Mai ein amerikanisches Überwachungsflugzeug über die Inseln geflogen. An Bord war ein Reporter des US-Fernsehsenders CNN, der aufnehmen konnte, wie ein chinesischer Militär per Funk und hörbar nervös den US-Piloten anflehte, doch bitte umzukehren.

Was die USA mit beiden Aktionen beabsichtigen ist offensichtlich: Washington will demonstrieren, dass China sich trotz seiner massiven Aufrüstung der vergangenen Jahre dem US-Militär weiter nicht gewachsen sieht. Das bestätigen auch diplomatische Kreise in Peking. Sie berichten, die chinesische Führung fürchtet nichts mehr als eine militärische Konfrontation mit den USA.

Nur einmal versuchte die chinesische Führung die USA über verbale Drohungen hinaus einzuschüchtern. Als sich US-Präsident Barack Obama im August zu einem Besuch im US-Bundesstaat Alaska aufhielt, schickte Peking fünf Militärschiffe vor die Küste Alaskas. Doch ohne Erfolg: Den USA gelang es, Chinas Manöver weitgehend zu ignorieren. Der Rest der Welt tat es ihnen nach.

Noch können es sich die USA leisten, mit der zweitgrößten Volkswirtschaft so umzugehen. Doch das sollte Washington auch klar sein: Angesichts Chinas massiver Aufrüstung wird das ein immer gefährlicheres Vorgehen. Die US-Regierung sollte ihre Strategie daher schon bald überdenken.