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Merkel punktet in China mit Kritik

 

Aus ihrem Groll gegen ihren Amtskollegen David Cameron macht Angela Merkel keinen Hehl. Schon auf dem Flug nach Peking in der Nacht zum Donnerstag kritisierte die Bundeskanzlerin unverblümt den britischen Premier für seine Anbiederung an die chinesische Führung. Und auch bei der offiziellen Pressekonferenz nach ihrer Ankunft in Peking ließ sich Merkel einen Seitenhieb gegen die Briten nicht nehmen: „Ich freue mich, dass Xi in Großbritannien einen schönen Besuch hatte.“ Wettbewerb belebe ja das Geschäft. „Doch wir können auch schöne Besuche ausrichten.“ Und dann fügte sie spitz hinzu: „Wir haben nur keine Queen in Deutschland.“

Beim Besuch des chinesischen Präsidenten Xi Jinping vergangene Woche in London hatten die britischen Gastgeber mehr als nur den roten Teppich ausgelegt. Cameron umgarnte den chinesischen Staatschef regelrecht. Heikle Themen wie Chinas Missachtung der Menschenrechte sprach er gar nicht an. Stattdessen lockte er mit großzügigen Investitionsbedingungen für chinesische Unternehmer. Unter anderem bot Cameron Xi an, mit seinem Land direkt Verhandlungen für ein Freihandelsabkommen abzuschließen – ohne die anderen EU-Länder.

Dieses Vorgehen torpediert die gemeinsame europäische Linie. Allen voran die Bundesregierung will mit China zunächst die offenen Fragen im Investitionsschutz klären, bevor überhaupt nur über eine Machbarkeitsstudie für ein Freihandelsabkommen diskutiert wird. Genau so teilte Merkel ihre Sicht der Dinge dem chinesischen Premier Li Keqiang auch mit, als sie diesen nun in Peking traf. Im Gegensatz zu ihrem britischen Amtskollegen thematisierte Merkel darüber hinaus auch andere heikle Themen.

Sicherlich Merkels größter Erfolg bei ihrem Staatsbesuch am Donnerstag: Ihr gelang es, der chinesischen Führung in der Syrienkrise und dem Flüchtlingsdrama in Europa mehr Engagement abzutrotzen. China werde einen konstruktiven Beitrag zur Lösung der Syrienkrise leisten, versicherte der chinesische Regierungschef im Anschluss der Gespräche auf einer gemeinsamen Pressekonferenz. Zwar vermied er es, konkrete Zahlen zu nennen, sagte aber auch mehr humanitäre Hilfe zu. Merkel wirkte zufrieden. Als Antwort auf ihre nicht zuletzt innerparteilichen Kritiker hatte sie daheim mehrfach versprochen, die Lasten der Flüchtlingskrise auf mehr Länder verteilen zu wollen. Diesem Ziel ist sie mit Pekings Zusage nun ein Stück weit näher gekommen.

Aber auch die chinesische Seite kann ihr angekratztes Image mithilfe der Kanzlerin aufpolieren. China hat es in den vergangenen Jahren mehrfach versäumt, sich in dem Syrien-Konflikt konstruktiv einzubringen. Und auch bei der Flüchtlingshilfe ist China mehrfach dafür kritisiert worden, zu wenig Unterstützung zu leisten. Diese Versäumnisse sind nicht zuletzt darauf zurückzuführen, dass innerhalb der chinesischen Führung noch immer die Haltung überwiegt, China sei ein armes Entwicklungsland. Erst langsam wächst die Erkenntnis, dass die Welt von der zweitgrößten Volkswirtschaft längst erwartet, in Krisen sich auch als großzügiges Geberland zu verstehen. Diese Kritik kam nicht zuletzt auch immer wieder von der Bundesregierung. Mit Lis Hilfszusagen gegenüber Merkel versucht China in dieser Frage zumindest ein bisschen Boden gut zu machen.

Dieses Entgegenkommen hält die Kanzlerin nicht davon ab, der chinesischen Führung auch an anderer Stelle die Leviten zu lesen: im Streit um Chinas Gebietsansprüche im Südchinesischen Meer. In einer Diskussionsrunde der Körber-Stiftung am Donnerstagnachmittag äußerte sie unverhohlen ihre Verwunderung darüber, warum sich China weigere, die Frage vor internationalen Gerichten klären zu lassen. Sonst poche Peking doch stets auf die Bedeutung multilateraler Organisationen. „Warum dann nicht auch bei dieser Frage?“

Das wird die chinesische Führung sicherlich nicht gern gehört haben. Dem deutsch-chinesischen Verhältnis tat diese kritische Frage aber trotzdem keinen Abbruch.