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Hongkongs Traditionsblatt bangt um Pressefreiheit

 

An diesem Montag ließen sich die Macher der South China Morning Post noch nichts anmerken. Wie gewohnt sachlich berichtete die Zeitung aus Hongkong über den Auftakt des Prozesses gegen Chinas prominentesten Menschenrechtsanwalt Pu Zhiqiang. In Chinas Staatsmedien findet der Prozess dagegen überhaupt nicht statt.

Und doch ist die Sorge groß, das die Unabhängigkeit des 112 Jahre alten Blatts auf der Kippe steht. Der chinesische Internet-Gigant Alibaba hat für umgerechnet rund 266 Millionen US-Dollar das wirtschaftlich angeschlagene Traditionsblatt übernommen, inklusive Magazinen, Onlineportalen und Werbeflächen in Hongkong. Ähnlich ist bereits Amazon-Chef Jeff Bezos vorgegangen, der vor einem Jahr die Washington Post übernommen hat.

„>Einen ersten Vorgeschmack auf die neue Blattlinie hat der neue Eigentümer bereits geliefert. Zwar beteuerte Joseph Tsai, Vizechef von Alibaba, die redaktionelle Unabhängigkeit der South China Morning Post nicht antasten zu wollen. Im selben Atemzug kritisierte er aber „westliche Medien“ dafür, „China durch eine allzu besondere Brille zu sehen“. Er wolle stattdessen künftig auf eine „ausgewogene und faire Berichterstattung über China“ achten. Aus Kreisen der Hongkonger Redaktion ist zu hören, man empfinde diese Worte „nicht besonders ermutigend“.

Die englischsprachige Zeitung galt lange Zeit als kritisches „Fenster zu China“. Im Gegensatz zu den staatlich kontrollierten Zeitungen auf dem chinesischen Festland hat die South China Morning Post in Hongkong auch Themen aufgegriffen, die sich kritisch mit Chinas Führung auseinandersetzen. Vor allem für China-interessierte Ausländer ist sie bis heute eine der wichtigsten Informationsquellen.

Der chinesische Internet-Gigant Alibaba ist zwar ein privat geführtes Unternehmen. Doch wer mit seinem Onlineangebot in der Volksrepublik über so große Marktanteile verfügt, muss mit der chinesischen Führung nicht nur kooperieren, sondern darf es sich auch nicht mit ihr verscherzen. So sieht es zumindest Alibaba-Gründer und Großanteilseigner Jack Ma. Der ansonsten recht meinungsfreudige Milliardär hält sich bei politisch relevanten Fragen zurück. Nur einmal äußerte er sich öffentlich zur Niederschlagung der Demokratiebewegung auf dem Tiananmen-Platz von 1989. Er bezeichnete sie als „die korrekteste Entscheidung“.

Der Verkauf an Alibaba kommt zu einer Zeit, in der viele Hongkonger um ihre Freiheiten fürchten. Die ehemalige britische Kronkolonie gehört seit 1997 zu China. Offiziell sichert Peking den Menschen in Hongkong zwar Meinungs- und Pressefreiheit zu. Doch Peking unterhöhlt diese Rechte, wie der Streit um eine Wahlrechtsreform im vergangenen Jahr zeigte. Hunderttausende Menschen waren dagegen auf die Straße gegangen.