Der Schrecken vieler Pekinger sitzt noch immer tief. Anfang des Jahres hatte die Luftverschmutzung in der chinesischen Hauptstadt neue Spitzenwerte von 800 Mikrogramm Feinstaub (Partikelgröße 2,5 Mikrometer) pro Kubikmeter Luft und mehr erreicht. Dabei warnt die Weltgesundheitsorganisation (WHO) bereits ab Werten von 30 Mikrogramm vor gesundheitlichen Folgen. Peking und eine Reihe weiterer chinesischer Millionenstädte verschwanden zeitweise über mehrere Wochen hinweg unter einer dichten Smogdecke.
Nun wird die chinesische Regierung im Kampf gegen die dramatische Luftverschmutzung aktiv. Sie hat vergangene Woche einen Aktionsplan verabschiedet, mit dem Ziel, den hohen Feinstaubgehalt bis 2017 um mindestens 30 Prozent zu verringern. So soll der Anteil von Kohle an der im ganzen Land verbrauchten Energie von 70 Prozent um fünf Prozentpunkte sinken.
Besonders betroffen sind Industrieanlagen, die älter als 20 Jahre sind. So sehr sich die chinesische Führung aber darum bemüht, dieser Luftverschmutzung Herr zu werden, und gegen Energiewirtschaft und Industrie entschlossen vorgeht: Die Automobilindustrie bleibt weitgehend verschont.
Zu den Olympischen Spielen 2008 fuhren noch weniger als zwei Millionen Autos auf Pekings Straßen. Schon damals hieß es, die Stadt drohe im Stau zu ersticken, und die Menschen beklagten sich über die schlechte Luft. Seitdem ist die Zahl der Autos in Peking auf 5,35 Millionen gestiegen, hat sich also innerhalb von fünf Jahren fast verdreifacht. Daten des Pekinger Umweltamtes zufolge, blasen sie jährlich über 900.000 Tonnen Emissionen in die Luft, davon 80.000 Tonnen klimaschädlicher Stickoxide. Das Umweltamt spricht von mehr als 100 Arten von krebserregenden Stoffen, die diese Pkw-Emissionen enthalten.
Trotz dieser Daten sieht die Stadtführung die Obergrenze für Peking erst bei sechs Millionen Fahrzeugen. Die Nummernschilder werden bereits seit einigen Jahren in einer Art Lotterie vergeben; derzeit stehen die Chancen auf eine Zulassung bei etwa 80:1. Doch es kommen jeden Monat 20.000 neue Autos hinzu, aufs ganze Jahr gerechnet sind es 240.000 Fahrzeuge. Schon jetzt sind Pekings große Ringstraßen zu so gut wie allen Tageszeiten hoffnungslos verstopft. Fragt man viele Pekinger, wieso sie dennoch ein Auto haben wollen, fallen Stichwörter wie Status, Mobilität oder „das Gefühl von Freiheit“ – ein Empfinden, das auch vielen Deutschen nicht fremd sein dürfte.
Nicht zuletzt die Vertreter der deutschen Autohersteller in Peking verdrängen allzu gern, dass die Produkte ihrer Branche wesentlich zum dichten Smog in China beitragen. Stattdessen loben sie sich über den Klee im angeblichen Engagement für die Umwelt. In Peking würden schließlich inzwischen Abgasvorschriften gelten, die ungefähr der europäischen Abgasnorm Euro 5 entsprechen, argumentieren sie. Ihre Branche sei nicht schuld am Smog.
Doch das ist ein Irrglaube. Die Chinesische Akademie der Wissenschaften hat errechnet, dass Autoabgase mit fast einem Viertel zu den besonders gefährlichen Feinstaubbelastung beitragen und inzwischen die industriellen Emissionen als schlimmste Quelle der Luftverschmutzung in Peking abgelöst haben.
Sicherlich liegt es in erster Linie in der Hand der chinesischen Politik, mit entsprechenden Regeln die Luftverschmutzung zu bekämpfen. Doch die Autobranche ist auch gefordert. Ein wichtiger Beitrag wäre eine größere Auswahl an Elektro- und Hybridfahrzeugen. Zwar kommt der Strom für E-Autos zu weiten Teilen auch wieder aus schmutzigen Kohlekraftwerken. Sie stehen aber nicht direkt in der Innenstadt, der Feinstaub kann sich besser verteilen und ist dann nicht mehr ganz so schädlich.
Mit einer weniger aggressiven Bewerbung der besonders benzinschluckenden Großlimousinen und Geländefahrzeugen (SUV) wäre der Pekinger Luft aber auch schon geholfen.