Welches Land verbraucht am meisten Öl auf der ganzen Welt? Seit wenigen Tagen vermutlich China. Nach Schätzungen der US-Energieinformationsbehörde EIA überholt das Schwellenland den bisherigen Großverbraucher Amerika im Oktober beim Ölimport – und zwar dauerhaft.
China ist jetzt schon der weltgrößte Energiekonsument und zudem größter Produzent des Klimakillers Kohlendioxid. Zu diesen zweifelhaften Ehren kommt nun noch der Rang als größter Ölimporteur. Saudi-Arabien freut sich schon und kündigt an, die Produktion noch einmal kräftig zu steigern.
Der Grund für Chinas steigenden Energieverbrauch liegt in der Änderung des Lebensstils. Wer früher gemütlich auf dem Fahrrad unterwegs war, sitzt heute in seinem Auto und versucht sich hupend durch den dichten Stau der chinesischen Großstädte zu schieben.
Und das ist erst der Anfang. In China kommen bisher auf 1.000 Einwohner 70 Autos. Der weltweite Durchschnitt liegt bei 120, in Deutschland sind es knapp 600. Die Zahl der Autos in China dürfte sich also in den kommenden Jahren noch mindestens verdoppeln. Der Ölbedarf wird da erst einmal mitziehen – allen schönen Plänen für Elektroautos zum Trotz.
Doch der Hauptgrund dafür, dass das voll motorisierte Amerika das bisher noch bescheiden ausgestattete China überholt hat, liegt im Fracking-Boom in den USA. Amerika hat in diesem Jahr bereits Saudi-Arabien und Russland als Öl- und Gasproduzent überholt. Die umstrittene und riskante Technik, bei der Gesteinsschichten aufgebrochen werden, damit sie das Öl freigeben, könnte die USA sogar am Ende unabhängig von Ölimporten machen.
Die Folgen dieser Entwicklungen sind kaum absehbar und dürften die Welt der Wirtschaft und der Außenpolitik gründlich verändern.
Beispiel Handelsbilanz: Wenn die USA kein Geld mehr für Öl zahlen müssen, dann könnten sie trotz der hohen Importe von Industriegütern aus China von ihrem chronischem Minus wegkommen. China wiederum könnte durch die steigenden Importe eine sinnvolle Anwendung für seine Devisenreserven in Höhe von über drei Billionen Dollar finden.
Bisher gab es nichts, was China von der Welt so dringend brauchte, um hohe Importe zu rechtfertigen. Deshalb haben sich die hohen Devisenreserven aufgetürmt: Die Amerikaner haben aus China iPads und Quietscheentchen bezogen, aber nichts zurückgeliefert als Dollar.
Ein Dreieckshandel zwischen den USA (Empfänger der Industriegüter), den Ölländern (sie beziehen Waren aus den USA und Fernost und geben die Rohstoffe ab) und China (stellt Industrieprodukte für Amerika her und gibt die eingenommenen Dollar an die Ölländer weiter) wäre nun allemal ausgeglichener als die Schieflage, in der sich der Welthandel bisher befindet.
Die neue Ordnung dürfte jedoch auch zu einer weiteren Aufrüstung der chinesischen Marine führen. Denn wie bislang Washington muss Peking nun darauf achten, den Nachschub zu sichern – in Indochina, im Mittleren Osten, in Südamerika. Dazu muss die bislang friedliche Wirtschaftsmacht notfalls auch Zähne zeigen – oder könnte sich das zumindest einbilden, dass sie das muss.
Ein China aber, das plötzlich weltweit eingreifen kann, würde wiederum ein völlig neues Feindbild für die USA und die westliche Welt abgeben. Das einer aggressiven Großmacht nämlich.