Alarm am Kakaomarkt! Derzeit herrscht die längste Phase von Kakaoknappheit seit 50 Jahren. Der Schuldige: China. Das Land hat seine Vorliebe für Schokolade entdeckt – und isst nun munter den Weltmarkt leer. Kein Wunder bei 1,3 Milliarden Mündern. Erste Hersteller klagen schon über Engpässe und steigende Preise.
China ist mittlerweile der weltweit größte Verbraucher einer ganzen Reihe von Rohstoffen und Waren, darunter Stahl, Luxushandtaschen, Energie oder Lammfleisch. Daran ist an und für sich nichts schlecht – drückt es doch nichts anderes aus, als dass die Armut in Fernost rapide abgenommen hat.
Ein leichter Anstieg der Kakaopreise dürfte Deutschland zudem kaum nennenswert treffen. Der Anteil der Ausgaben für Nahrungsmittel, die ein deutscher Haushalt durchschnittlich aufbringt, bleibt konstant niedrig. Wer die Berge günstiger Schokolade in den Regalen deutscher Discounter sieht, der könnte sogar meinen: Es wird Zeit, dass das Zeug teurer wird und als ein besonderes Genussmittel wahrgenommen wird.
Also Entwarnung? Keineswegs. Der Engpass steht für eine Entwicklung, die den Ländern Afrikas künftig durchaus Probleme bereiten wird. China kauft nämlich nicht nur einen substanziellen Teil der afrikanischen Ernte an Kakaobohnen auf, sondern auch andere Lebensmittel. Es geht hier nicht um das gefürchtete Land-Grabbing, bei dem China gar nicht der Spitzenreiter ist, sondern die USA. Es geht um funktionierende Weltagrarmärkte.
Heutzutage ist es nicht mehr notwendig, auf einen anderen Kontinent zu fahren, armen Bauern das Land abzuluchsen und es selbst zu beackern. Es reichen Großbestellungen an den Börsen für Weizen, Reis, Sojabohnen oder Fleisch.
Und der Bedarf der Volksrepublik dürfte in den kommenden Jahren noch deutlich zulegen. Denn in China entsteht aufgrund des schnellen Wachstums bei gleichzeitig lockerer Geldpolitik immer wieder eine Tendenz zur Inflation. Am stärksten spüren die Chinesen die steigenden Preise beim Gemüse und anderen Grundnahrungsmitteln. Hier hat Peking jedoch ein mächtiges Instrument in der Hand, um die Entwicklung zu bremsen: Das chinesische Landwirtschaftsministerium kann Lebensmittel weltweit einkaufen und im Inland auf den Markt werfen. Die Mittel dazu sind vorhanden: China sitzt auf Devisenreserven im Wert von rund 3,7 Billionen Dollar, mit denen es derzeit eh nicht so richtig etwas anzufangen weiß.
Das oberste Ziel für Peking wird es immer sein, die eigene Bevölkerung zu bezahlbaren Preisen zu ernähren. Auch das ist erst einmal löblich; und es ist nichts anderes als das, was andere Wirtschaftsmächte wie die USA, Deutschland und Japan schon immer machen. Japan beispielsweise versorgt sich nur zu 40 Prozent selbst und ist bereit, auf dem Weltmarkt jeden Preis zu zahlen, um sich Importe zu sichern.
Doch das Auftreten eines neuen mächtigen Spielers verändert die Regeln. China steigert zwar die eigene Lebensmittelproduktion ganz erheblich, doch die Nachfrage im Inland steigt noch schneller. Auch das wäre nicht schlimm für Afrika und könnte eher auf eine lukrative Exportchance hindeuten. Viel schlimmer ist: Spekulanten an den Rohstoffbörsen wissen ebenfalls, dass China künftig mehr und mehr verbrauchen wird. Sie treiben mit ihren Wetten die Preise noch schneller nach oben.
So kommt es zu Situationen wie jetzt am Kakaomarkt: Die Preise steigen gnadenlos, während Hedgefonds und sogar (teils ahnungslose) deutsche Privatanleger mit Rohstofffonds im Depot den Trend in Erwartung weiter steigender Kurse noch weiter antreiben. Solche Ausschläge können dazu führen, dass Menschen hungern, obwohl auf dem Planeten genug Nahrungsmittel vorhanden sind.
Dass die Chinesen den anderen Ländern einen Teil der vorhandenen Schokolade wegessen, erscheint da schon gar nicht mehr schlimm. Zumindest in diesem Jahr dürften bei den meisten noch immer ausreichend Leckereien unterm Weihnachtsbaum liegen.