Im Vergleich dazu ist der Berliner Großflughafen BER nicht viel mehr als eine ausgebaute Landepiste: In China sind sechs Flughäfen geplant, im Bau oder gerade fertiggestellt worden, die pro Jahr mindestens 80 Millionen Passagiere abfertigen können. In der chinesischen Hauptstadt Peking ist sogar einer für 130 Millionen Fluggäste in Planung. Wie so vieles in der Volksrepublik klingt das nach Größenwahn. Das ist es aber nicht.
Schätzungen des chinesischen Tourismusbüros zufolge wird sich die Zahl der Chinesen, die ins Ausland reisen, von 100 Millionen im vergangenen Jahr bis 2020 mehr als verdoppeln. Geschäftsreisende sind dabei noch nicht eingerechnet. Andere Schätzungen gehen gar von über 500 Millionen Auslandsreisen aus. Vor zehn Jahren waren es gerade einmal zehn Millionen Chinesen, die sich eine Reise außerhalb der Landesgrenzen leisten konnten. Die chinesischen Planer wappnen sich bereits auf die Reisefreude ihrer Bürger und investieren entsprechend in die Infrastruktur. Das Problem: Viele der potenziellen Reiseziele sind auf den möglichen Ansturm nicht vorbereitet.
Vor allem in Europa dürfte das Passagieraufkommen zum Problem werden. Der Frankfurter Flughafen hat Kapazitäten für rund 65 Millionen Passagiere im Jahr, München 50 Millionen. Und selbst Heathrow in London, immerhin Europas größter Flughafen, kann gerade einmal 75 Millionen Fluggäste im Jahr abfertigen. Schon jetzt platzt Heathrow aus allen Nähten. Sollten die Experten mit ihren Prognosen Recht behalten, könnte es Frankfurt und München aufgrund des Ansturms aus Fernost schon bald ähnlich ergehen. Viele potenzielle Besucher kommen dann erst gar nicht.
Auch die deutschen Behörden haben sich noch nicht auf die wachsende Besucherzahl aus China eingestellt. Für ein normales Touristenvisum muss der chinesische Bürger seine Kontoauszüge der vergangenen sechs Monate vorlegen, sowie Nachweise über die familiäre und berufliche Bindung und – sofern vorhanden – sogar eine Bescheinigung über den Wert der eigenen Immobilie. Noch immer überwiegt in den deutschen Amtsstuben die Angst, der chinesische Tourist könnte nach Ablauf des Visums im Schengenraum bleiben.
Während Länder wie Südkorea, Australien und Kanada das Prozedere für Chinesen erheblich vereinfacht haben, benötigen die deutschen Konsularabteilungen in China nach eigenen Angaben immer noch zwischen drei und fünf Werktage. In der Praxis dauert die Bearbeitung meist noch deutlich länger: Einige chinesische Antragsteller berichten von drei bis vier Wochen. Frankreich, ebenfalls ein Schengenland, hatte die Bearbeitungszeit über die chinesischen Neujahrstage Anfang Februar immerhin auf unter 48 Stunden verkürzt.
Angesichts dieser behördlichen Hürden droht der deutschen Tourismusindustrie einiges an Umsatz zu entgehen, denn chinesische Touristen gelten als lukrative Kunden. Rund 600 Euro gibt ein durchschnittlicher chinesischer Reisender fürs Shoppen pro Reise aus. Das ist im Vergleich zu Urlaubern aus anderen Ländern ein Spitzenwert. Nur Russen sind pro Kopf noch spendabler.
In Hongkong etwa haben chinesische Touristen im vergangenen Jahr rund 40 Milliarden Euro für Konsumartikel ausgegeben. Auch New York, Paris, London und Zürich buhlen eifrig um diese Kundschaft. Das Luxuskaufhaus Macy’s in New York hat Ende Januar zum chinesischen Neujahrsfest, der Hauptreisezeit der Chinesen, sämtliche Schaufenster mit bunten Pferden dekoriert und damit das „Jahr des Pferdes“ eingeläutet. Und auch die Dutyfree-Läden am Amsterdamer Flughafen Schiphol waren allesamt mit chinesischen Glückssymbolen verziert.