Für Volkswagen-China-Vorstand Jochem Heizmann wirkte die Vertragsunterzeichnung in Anwesenheit von Bundeskanzlerin Angela Merkel und Chinas Ministerpräsident Li Keqiang wie Routine. Vor versammelter Presse eilte er zum Pult, unterschrieb das Abkommen, überreichte es seinem chinesischen Partner und gab der Kanzlerin und dem chinesischen Premier noch kurz die Hand. Dann war die Vertragszeremonie auch schon beendet.
In dem Abkommen, das Anfang der Woche während des Kanzlerinnenbesuchs unterzeichnet wurde, geht es um das inzwischen 19. und 20. Autowerk von Volkswagen in China. Eins soll für rund eine Milliarde Euro in der ehemaligen deutschen Kolonie Qingdao entstehen, das andere für eine ähnliche Summe in Tianjin, der 15-Millionen-Hafenmetropole, unweit von Peking.
Kein anderes europäisches Unternehmen hat in den vergangenen 30 Jahren in der Volksrepublik so viel investiert wie der deutsche Autobauer. Die Investitionen zahlen sich aus.
Allein im ersten Halbjahr steigerte das Unternehmen seinen Absatz in China um 17,5 Prozent. In Stückzahlen heißt das: Mit seinen diversen chinesischen Partnern lieferte VW im besagten Zeitraum mehr als 1,8 Millionen Fahrzeuge aus. Damit steuert VW in China auf ein neues Rekordjahr zu. Dabei wird jeder dritte VW bereits in der Volksrepublik verkauft. Insgesamt 18,2 Milliarden Euro will der Konzern bis 2018 in den weiteren Ausbau der Produktionsstätten in China hineinstecken.
Es ist jedoch nicht nur die Kernmarke VW, die in China Rekorde feiert. Die Tochterfirma Audi hat es wegen der Chinesen überhaupt erst wieder in den Prämienbereich geschafft. Mitte der achtziger Jahre galt die Traditionsmarke aus Ingolstadt als abgeschrieben. Das änderte sich, als Chinas Staatsunternehmen FAW (First Automotive Works) eine Partnerschaft einging und Audi zur Staatskarosse erkor. Chinas rasant wachsender Mittelstand eifert seinen Spitzenbeamten nach. Inzwischen wird auch jeder dritte Audi in China verkauft. Die VW-Tochter hat eigenen Angaben zufolge ihren Absatz im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 17,8 Prozent auf rund 269.000 Fahrzeuge erhöht. Dabei war 2013 bereits ein Rekordjahr auch für Audi.
Doch die Konkurrenz schläft nicht. Allen voran General Motors ist dem deutschen Autobauer dicht auf den Versen. Die US-Amerikaner wollen allein in diesem Jahr 19 neue oder überarbeitete Modelle auf den chinesischen Markt bringen. Detroit will den Verkauf der Marke Cadillac bis Ende des Jahres auf mehr als 100.000 verdoppeln.
Schon jetzt ist auf dem chinesischen Automarkt mit Überkapazitäten zu rechnen. VW argumentiert zwar, dass sich an der Preisschraube drehen ließe. VWs werden in China je nach Rechenart bis zu einem Drittel teurer angeboten als in Europa. Auch mit einer niedrigeren Gewinnmarge blieben die Geschäfte in China gut.
Aber es kündigen sich jede Menge staatlicher Maßnahmen an, die schon bald den Autoverkauf drosseln könnten. Chinas Metropolen leiden unter heftiger Luftverschmutzung. Rund ein Viertel des gefährlichen Feinstaubs geht auf Autos zurück. Doch auch der Straßenbau kommt angesichts der Verkehrslast nicht mehr hinterher. Städte wie Peking sind längst an ihre Grenzen gestoßen. Gab es in der 20 Millionen-Metropole 2008 rund zwei Millionen Fahrzeuge, die bereits für verstopfte Straßen sorgten, hat sich diese Zahl innerhalb von sechs Jahren verdreifacht. Die meisten Großstädte wollen Zulassungsbeschränkungen einführen oder haben es bereits getan. Neun von zehn Pekinger gehen bei der Beantragung eines Nummernschilds inzwischen leer aus.
Auch das sei kein Problem, heißt es in VW-Kreisen. Auf dem Land bleibe der Bedarf nach Individualverkehr groß. Und knapp die Hälfte der chinesischen Bevölkerung lebt dort noch immer.