Seit der chinesisch-japanische Inselstreit eskaliert, fällt einem auf, wie viele Geschäfte in China mit dem verhassten Nachbarn im Zusammenhang stehen: Der Nobel-Japaner gegenüber? Hat zu. Das Toyota-Autohaus ein paar Straßenzüge weiter hat ebenfalls dicht gemacht. Die in Peking so beliebte Restaurant-Meile Lucky Street mit ihren zu normalen Zeiten beliebten Sushi- und Teriyaki-Bars ist fast vollständig behängt mit chinesischen Nationalfahnen und antijapanischen Bannern. Auch sie haben zu – obwohl 90 Prozent aller Sushi-Läden in China von Chinesen betrieben werden. Auch die beliebte Kleidermarke Uniqlo und die Warenkette Muji haben landesweit ihre Filialen zugemacht. Beliebte Einkaufszentren wie das Solana oder Sanlitun-Village in Peking wirken plötzlich verwaist.
Man kann die Angst der Betreiber dieser Läden und Lokale verstehen. Ich bin am Dienstag auf der Demonstration vor der Japanischen Botschaft in Peking gewesen. „Schlagt die kleinen Japaner“ oder „Die Inseln gehören uns“, riefen die Demonstranten in Sprechchören und forderten einen Boykott japanischer Produkte. Einige sprachen sich sogar offen für einen Krieg mit dem Inselstaat aus. Selbst auf japanische Autos hatten sie es abgesehen. „Wer ein Toyota oder Honda fährt ist ein Vaterlandsverräter“, sagte einer.
Seit nunmehr einer Woche halten die Proteste an. In China schlagen sie auch deswegen so hohe Wellen, weil die chinesische Führung sie gezielt anheizt und steuert. Dabei geht es lediglich um ein paar unbewohnte Felsbrocken mitten im Ostchinesischen Meer. Die Japaner nennen sie Senkaku, die Chinesen Diaoyu. Beide Länder reklamieren die Inseln für sich. Auch Taiwan erhebt Ansprüche. Neben den reichhaltigen Fischbeständen vermuten alle drei Länder Öl und Gas in den umliegenden Gewässer. Bewiesen ist das nicht.
Der Streit wirkt sich schon jetzt negativ auf die Wirtschaft aus. Allein schon deshalb, weil japanisch anmutende Geschäfte und Lokale zeitweise schließen müssen. Seit dem Wochenende hat Chinas Japanhass auch die Fabriken erfasst. Nachdem bereits in der Nacht zu Samstag chinesische Nationalisten in der ostchinesischen Hafenstadt Qingdao einen Brandanschlag auf ein Werk des japanischen Elektronikunternehmens Panasonic und in Chengdu auf ein Autohaus von Toyota verübt haben, kündigte nach Panasonic auch Canon an, seine Werke in China vorläufig zu schließen.
Inzwischen haben auch Sony, die beiden Fahrzeughersteller Yamaha und Suzuki, Honda, Nissan und der Baumaschinenhersteller Komatsu, den Betrieb ihrer Fabriken eingestellt. Einige Firmen wie Hitachi haben damit begonnen, japanische Mitarbeiter aus Sicherheitsgründen ganz aus China abzuziehen. Mehr als 50.000 japanische Staatsbürger leben allein in Schanghai, in Peking ungefähr genau so viele. In ganz China sind es grob überschlagen etwa 50 Fabriken, die wegen der antijapanischen Proteste momentan nicht mehr laufen. Einige Zehntausend chinesische Angestellte dürften landesweit von den Werksschließungen betroffen sein.
Doch damit nicht genug. Die Volkszeitung, das Parteiorgan der kommunistischen Führung, hat am Montag ganz offen mit Wirtschaftssanktionen gedroht. Sie hat vor allem die japanische Elektronik- und Autoindustrie im Visier, die stark vom Import seltener Rohstoffe aus dem Reich der Mitte angewiesen sind.
Sollte es tatsächlich dazu kommen, würden sie aber nicht nur dem hochindustrialisierten Inselstaat enormen Schaden zufügen, sondern auch China selbst. Beide Länder sind schon länger bei der Wertschöpfung eng miteinander verwoben. Große Teile der Produktion japanischer Unternehmen sind nach China ausgelagert. Viele Hightech-Module, auf die chinesische Produzenten angewiesen sind, werden in Japan gefertigt. Ich weiß etwa von einem Schweizer Unternehmen in der südchinesischen Provinz Guangdong, das Chips in China zusammensetzen lässt, die in Japan für eine Uhrenfirma benötigt werden. Auch dort ist die Wertschöpfungskette unterbrochen.
Genau diese engen wirtschaftlichen Verflechtung der beiden Länder lässt zugleich hoffen. Spätestens wenn bei der chinesischen Zentralregierung angekommen ist, wie hoch der volkswirtschaftliche Schaden bei andauernden Werkschließungen, Drohungen und Boykottaufrufen wirklich ist, wird sie versuchen, den Volkszorn wieder zu besänftigen. Und auch die Pekinger wollen sicherlich nicht dauerhaft auf Sushi oder Klamotten von Uniqlo verzichten. Zumindest ist das zu hoffen.