Die Ein-Kind-Regel gehört in China der Vergangenheit an. Nach fast 35 Jahren darf seit Anfang November jedes Ehepaar ein zweites Kind auf die Welt bringen. Doch mit den Folgen der jahrzehntelang höchst restriktiven Bevölkerungspolitik, die bei Millionen Familien zu grausamen Tragödien geführt und ihre Kinder ins Unglück getrieben hat, muss sich das Land auch künftig auseinandersetzen. Zumindest eine der schlimmsten Auswirkungen will die chinesische Führung nun mildern.
Die chinesische Regierung hat Mitte der Woche angekündigt, dass sich alle bislang gar nicht registrierten Bürger künftig offiziell anmelden können. Dabei handelt es sich zumeist um Zweit- und Drittgeborene, die unter Missachtung der Ein-Kind-Regel auf die Welt gekommen sind.
Konnten ihre Eltern die hohen Strafgebühren nicht aufbringen, verweigerten die Behörden diesen Kindern auch eine Registrierung. Für diese hieß das: Sie galten als „illegal“ und mussten versteckt werden. Auch als sie älter wurden, hatten sie weder das Recht auf kostenlose Bildung, noch konnten sie zu einem Arzt gehen. Ein Bankkonto wurde ihnen ebenso verweigert wie ein Reisepass. Nicht einmal heiraten konnten sie, geschweige dessen eine Ausbildung aufnehmen. Weil für viele arme Familien diese Kinder eine große Last darstellten, wurden sie oft verstoßen oder verkauft. Viele dieser Kinder wuchsen als Waise oder Obdachlose auf. Der Regierung zufolge betrifft das rund 13 Millionen Menschen.
Lange Zeit hat die chinesische Führung dieses Unrecht unter den Teppich gekehrt. Noch vor einigen Jahren tauchten diese Menschen nicht einmal als Schätzwerte in der offiziellen Statistik auf. Entsprechend war es auch ein Tabu in China, über sie zu berichten. Dabei sind sie im Stadtbild etwa von Peking oder Guangzhou nicht zu übersehen. Bei den meisten Obdachlosen, die man auf den Straßen sieht, handelt es sich um diese sogenannten „schwarzen Kinder“.
Allerdings finden sich auch Betroffene, die es trotz dieser Umstände geschafft haben, sich ein wirtschaftlich stabiles Leben aufzubauen. In einigen chinesischen Zeitungen wird in diesen Tagen von Menschen berichtet, die als Straßenhändler, Fabrikarbeiter oder Näherinnen eine Existenz schaffen konnten.
Die Abschaffung von Chinas allgemein höchst ungerechtem Haushaltsregistrierungssystem bedeutet dieser Schritt aber nicht. Bei diesem in der Volksrepublik als Hukou bezeichneten System können die Bürger nur dort Rechte und Sozialleistungen in Anspruch nehmen, wo sie auch registriert sind. Und das ist in der Regel in ihrem Heimatdorf auf dem Land. Damit wollte die chinesische Führung eine unkontrollierte Landflucht und Slums in den Großstädten vermeiden.
Ein Großteil der Chinesen lebt aber trotzdem nicht mehr auf dem Land, sondern ist wegen der besseren Arbeitsmöglichkeiten in die Städte gezogen. Und das sind viele, nämlich rund 270 Millionen Menschen. Ihnen steht dort aber ebenfalls keine freie medizinische Versorgung zur Verfügung. Und auch ihre Kinder können sie nur gegen hohe Gebühren in die städtische Schule schicken oder müssen sie zu den Verwandten auf dem Land schicken, wo sie eigentlich registriert sind.
Eine umfassende Reform dieses Hukou-Systems hat die chinesische Führung mehrfach angekündigt und sie in einigen Regionen auch schon vorgenommen. Der ganz große Wurf ist bisher aber ausgeblieben.