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Falschparken: Ein Schnäppchen in Deutschland

 

Immer wieder schauen deutsche Radfahrer neiderfüllt nach Dänemark und in die Niederlande. Dort rollen Politiker und Verkehrsplaner ihren Radfahrern nicht nur auf der Straße den roten Teppich aus. Sie sorgen auch dafür, dass die Wege frei bleiben. Wie der EU-Knöllchen-Report der Agentur für clevere Städte zeigt, greifen die Regierungen dort zu drastischen Mitteln.

Wer in diesen Ländern falsch parkt, muss ordentlich zahlen: 90 Euro kostet das Parken auf Rad- oder Gehwegen in den Niederlanden. Stellt jemand seinen Wagen in zweiter Reihe auf der Fahrbahn ab, sind es bereits 220 Euro, und wer unberechtigt auf einem Behindertenparkplatz steht, zahlt 360 Euro. Weniger drakonisch, aber ebenfalls deutlich über deutschem Niveau sind die Bußgelder in Dänemark: Fürs Falschparken auf dem Rad- oder Gehweg sind dort umgerechnet 68 Euro fällig, 137 Euro sind immerhin fürs Parken auf einem Behindertenparkplatz ohne Berechtigung vorgesehen.

Das Signal der Dänen, aber vor allem der Niederländer ist mehr als deutlich: null Toleranz für den, der Wege versperrt. Freie Fahrt für Jedermann – Fußgänger, Radfahrer und Autofahrer.

Von dieser Haltung ist Deutschland weit entfernt. Im Vergleich zu anderen EU-Staaten ist Falschparken hierzulande ein Schnäppchen. Für 20 Euro kann man Radwege und Fußwege versperren und in zweiter Reihe parken. Nur 35 Euro kostet das Klauen des Behindertenparkplatzes. Ob sich potenzielle Falschparker genauso unbedarft für Behindertenplätze entscheiden, wenn sie dafür das Zehnfache als bisher überweisen müssen, ist unwahrscheinlich.

Insbesondere beim Versperren von Behindertenparkplätzen sind auch weniger fahrradaffine Länder unerbittlich. Völlig kompromisslos zeigen sich hier beispielsweise die Griechen. Für das genannte Delikt verlangen sie 150 Euro – bei einem monatlichen Haushaltseinkommen von 788 Euro (netto). Bezogen auf das verfügbare Einkommen sind die Geldstrafen in Griechenland also besonders drastisch. So ist das Bußgeld fürs Falschparken auf einem Radweg, bezogen aufs Haushaltseinkommen, in Griechenland acht mal so hoch wie in Deutschland. Das heißt, ein Grieche, der sein Auto verkehrswidrig auf einem Radweg abstellt, muss für das Bußgeld acht Mal länger arbeiten als ein Deutscher. Fürs Parken auf Geh- und Radwegen sind in Griechenland 80 Euro fällig.

Laut der Agentur für clevere Städte, die auch die Wegeheld-App entwickelt hat, erhöhte sich die Zahl der Falschparker in Hamburg von 581.222 im Jahr 2012 auf 773.867 in 2013, ein Anstieg um ein Drittel. Beliebt sind auch die Berliner Busspuren. Dort haben die Ordnungshüter vor vier Jahren 6.691 Knöllchen verteilt, im vergangenen Jahr waren es 8.472 – das ist ein Zuwachs von 27 Prozent.

Die Parkplatzsuche ist ein wichtiges Thema für Autofahrer. Rund 30 Prozent des Stadtverkehrs ist laut Burkhard Stork, Geschäftsführer vom ADFC-Bundesverband, Park-such-Verkehr. Das ist eine absurd hohe Zahl, die aber das Problem aufzeigt. Die Straßen sind überfüllt. Mehr Radverkehr kann den Verkehrsdruck in den Städten deutlich verringern. Aber damit mehr Autofahrer aufs Rad steigen, müssen Radfahrer auf ihren Wegen auch zügig vorankommen.

Empfindlich höhere Bußgelder führen hier sicherlich zu einem schnelleren Lerneffekt. Vor allem zeigen sie aber eine gesellschaftliche Haltung: Dass man rücksichtsvoll miteinander umgeht und andere nicht aus eigener Bequemlichkeit heraus behindert.