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Pedelec-Fahrern geht es nicht ums Tempo

 

Erst seit Januar werden Elektrofahrräder in Deutschland in der polizeilichen Unfallanzeige bundesweit separat erfasst. Bis aussagekräftige Ergebnisse darüber vorliegen, ob Radfahrer mit Motorunterstützung einem höheren Unfallrisiko unterliegen, werden also noch ein paar Jahre vergehen. Immerhin steigt die Zahl der Pedelec-Fahrer auf den Straßen kontinuierlich. Rund 1,6 Millionen sollen es zurzeit laut Zweirad-Industrie-Verband sein.

In einer neuen Studie haben die Unfallforscher der Versicherer (UDV) und die Technische Universität Chemnitz allerdings schon jetzt untersucht, ob und wie sich die potenziell höheren Geschwindigkeiten auf das Fahrverhalten und das Unfallgeschehen auswirken. Dazu wurde ein vierwöchiger Feldversuch mit 90 Radfahrern im Alter von 16 bis 83 Jahren unternommen. Die Gruppe bestand aus 30 Fahrradfahrern, 60 Pedelec-Fahrern und 10 S-Pedelec-Fahrern. Der Motor der S-Pedelecs hilft bis zu 45 km/h, bei normalen Pedelecs endet die Motorunterstützung bei 25 km/h.

Die Räder der Teilnehmer wurden mit Sensoren und Kameras ausgestattet und ihr alltägliches Fahrverhalten aufgezeichnet. Mit Hilfe dieser Verhaltensbeobachtung und Mobilitätstagebüchern wurden Geschwindigkeit und Verkehrssicherheit von Pedelec- und S-Pedelec-Fahrern im direkten Vergleich zu Fahrradfahrern ermittelt.

Die Ergebnisse zur Geschwindigkeit sind interessant. Zwar sind wie erwartet die S-Pedelec-Fahrer durchschnittlich am schnellsten unterwegs, gefolgt von Fahrern auf Pedelecs und den Nutzern herkömmlicher Räder. Allerdings sind die Geschwindigkeitsunterschiede weniger signifikant als erwartet.

Das zeigt die Durchschnittsgeschwindigkeit bei freier Fahrt. Darunter verstehen die Forscher eine Strecke, auf der den Teilnehmern keine anderen Verkehrsteilnehmer begegnen und es weder vorausfahrenden oder entgegenkommenden Verkehr noch Kreuzungen, Einmündungen oder andere Hindernisse gibt. Hier fuhren die Fahrer herkömmlicher Räder im Schnitt 16,4 km/h, Pedelec25-Fahrer kamen auf 18,6 km/h, und die S-Pedelecs waren im Schnitt 24,9 km/h schnell.

Schneller sein ist nicht das Ziel

Es ist auch aufschlussreich, sich bei dieser Messung das Alter der Teilnehmer anzusehen. Die unter 40-Jährigen fuhren durchschnittlich 21,5 km/h, die 41- bis 64-Jährigen fuhren 19,8 km/h und die über 65-Jährigen 15 km/h.

Die UDV-Forscher fassen es so zusammen: „Pedelec25-Fahrer über 65 Jahre fuhren ähnlich langsam wie gleichaltrige Fahrradfahrer.“ Das könnte ein Zeichen dafür sein, dass ältere Pedelec-Nutzer ihre Geschwindigkeit drosseln, weil sie aufgrund ihres Alters bestimmte Bewegungen wie Schulterblick oder Handzeichen nicht mehr so gut beherrschen. Die Studie kommt zu dem Schluss, dass Ältere mit dem Pedelec primär ihre Mobilität erhalten wollen. Höhere Geschwindigkeiten sind für sie bestenfalls sekundär.

Für alle Pedelec25-Fahrer kann man sagen, dass sie im Mittel nur wenig schneller sind als normale Radfahrer. Sie scheinen die Motorunterstützung in erster Linie einzusetzen, um mit weniger Aufwand genauso schnell wie mit einem Rad unterwegs zu sein.

Eine wichtige Erkenntnis der Studie ist, dass alle drei Zweiradtypen ähnlich häufig kritische Situationen im Straßenverkehr erleben. Aber selbst die höhere Durchschnittsgeschwindigkeit von S-Pedelec-Fahrern führt nicht dazu, dass es öfter brenzlig wird.

Die Studie gibt also Entwarnung: Pedelecs stellen laut den Erkenntnissen kein erhöhtes Unfallrisiko dar. Dennoch wird die Zahl der Unfälle, in denen Pedelecs verwickelt sind, in den kommenden Jahren steigen. Das liegt aber in erster Linie daran, dass auf der Straße immer mehr Pedelecs unterwegs sind.