Lesezeichen
‹ Alle Einträge

Bundespolitik: Radverkehr ist Randthema

 

Radfahren erlebt in den Städten einen Boom. Kommunalpolitiker weltweit sehen die Chance, mit mehr Radverkehr die massiven Probleme der Städte vom Stau bis zur Luftverschmutzung einzudämmen und die Lebensqualität zu erhöhen. Die deutsche Fahrradwirtschaft spielt dabei mit ihrem Know-how international eine wichtige Rolle.

Im eigenen Land nutzt ihr das wenig – für die Bundespolitik ist das Fahrrad weiterhin eine Randerscheinung. Seine Bedeutung für den Alltagsverkehr wird im Verkehrsministerium immer noch nicht erkannt. Das wurde Mittwochabend deutlich, als Mitglieder des Bundestags-Verkehrsausschusses mit Vertretern der Fahrradbranche diskutierten.

Der Allgemeine Deutsche Fahrradclub (ADFC), der Verbund Service Fahrrad und der Zweirad-Industrie-Verband hatten Gero Storjohann (CDU), Stefan Zierke (SPD), Matthias Gastel (Grüne) und Annette Groth (Linke) zu einem parlamentarischen Abend eingeladen. Stolz verkündete Storjohann, dass der Verkehrsausschuss das Budget der Radverkehrsförderung an Bundesstraßen und Wasserwegen auf insgesamt 100 Millionen erhöhen werde.

Das klingt gut – sofern man die vorausgegangenen Kürzungen außer Acht lässt. Denn während für das Jahr 2002 noch über 100 Millionen Euro für die Radverkehrsförderung bereit standen, waren es 2013 nur noch 71 Millionen Euro, 2014 dann 80 Millionen Euro. Wenn der Betrag jetzt wieder auf das Niveau von vor 13 Jahren angehoben wird, ist das kein Grund zum Feiern.

Kurz zuvor hatte Bernhard Lange, Geschäftsführender Gesellschafter der großen Fahrradfirma Paul Lange, die aktuelle Entwicklung in der britischen Hauptstadt London geschildert, die er gerade besucht hatte. Lange berichtete von den vier Fahrradhighways, die dort zurzeit gebaut werden. Kommendes Jahr sollen sie fertig werden.

Hunderte Millionen Euro kosten die neuen Straßen. Vor diesem Hintergrund forderte Lange den Bund auf, die Ausgaben für den Radverkehr auf eine Milliarde Euro zu erhöhen. Er halte einen Fahrradanteil im Verkehr von 30 Prozent für realistisch, „aber nur mit der entsprechenden Infrastruktur“, sagte Lange.

Ein Blick auf den Fahrradtourismus gibt ihm recht. Der ADFC hat über viele Jahre Standards für Fahrradrouten in Deutschland aufgestellt und umgesetzt. Mit seinen Forderungen nach guten Wegen, einer durchgängigen Wegweisung, Mindestbreiten und der Anbindung an Bett&Bike-Unterkünften hat der Verein ein Gütesiegel geschaffen. Das hat den Fahrradtourismus in Deutschland stark gemacht. Allein in Brandenburg machen die Radfahrer ein Viertel des gesamten Touristik-Umsatzes aus.

„So würde es auch in den Städten sein, wenn wir endlich anfangen würden, richtig was fürs Fahrrad zu tun“, sagte ADFC-Geschäftsführer Burkhard Stork. Aber davon ist die Bundespolitik weit entfernt.

Matthias Gastel von den Grünen brachte es auf den Punkt. „Das Fahrrad kommt in der Regierungsarbeit nicht vor“, sagte er. Der Radverkehr wachse, er werde schneller und immer breiter. Aber reagiert werde darauf nicht. „Aus dem Verkehrsministerium kommt gar nichts“, sagte der Oppositionspolitiker.