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the place to be

 

Die Feuilletons schwärmen schon. Heute Abend stürmen die ersten Besucher den Großversuch Carsten Höllers.

Der Künstler hat die historische Halle des Hamburger Bahnhofs in ein tableau vivant verwandelt, darin Rentiere und Fliegenpilze. Sie sind der Stoff, aus dem Soma entstehen könnte, der mythische Trank der Erkenntnis und Unsterblichkeit. Belegen soll das Höllers gigantische Versuchsanordnung mit zwei identischen Tiergehegen. Nur eine der beiden Rentier-Gruppen frisst die Giftpilze, berauscht dann mit ihrem Urin Vögel, Mäuse und Fliegen. Ob das stimmt, erfährt aus Prinzip niemand. Es gehe ihm nämlich um die persönliche Erfahrung der Besucher und nicht um das Soma, zitiert Monopol Carsten Höller.

Die Welt jedenfalls fühlt sich allein vom Anblick der Tiere leicht, glücklich, berauscht. Und der Tagesspiegel würdigt den vorläufigen Höhepunkt an Extravaganz, der in einem Museum zu erreichen ist.

Extravagant ist aber nicht nur der Aufwand, den der Künstler und Direktor der Nationalgalerie Udo Kittelmann betrieben haben. Wem es 1000 Euro wert ist, der kann in der Mega-Installation auch übernachten. Die Lektüre eines exklusiven Erfahrungsberichtes von ZEIT-Autor Tobias Timm wirft bei mir vor allem die Frage auf: Ist die Schau auch massentauglich?

Die Walton Ford-Ausstellung war bereits eine Qual. Die Besucher schoben einander von Aquarell zu Aquarell. Und Höllers Ausstellung dürfte erst recht vom Publikum gestürmt werden.

Wenn es stimmt, dass der Reiz von Soma in der aufmerksamen Suche nach vorhandenen oder eingebildeten Verhaltensauffälligkeiten liegt und dass gerade die selbstvergessene Kontemplation der surrealen Szenerie Glücksgefühle auslöst, dann bleibt diese Erfahrung den meisten Besuchern wohl verwehrt.

20 Uhr | 4. November 2010 | Hamburger Bahnhof | Invalidenstr. 50/51 | Berlin Mitte