Cédric Andrieux von Jérôme Bel ist Tanztheater der eindringlichen Art.
Mit dem Solo Cédric Andrieux knüpft Choreograph Jérôme Bel an seine Serie biografischer Tänzerporträts an. Andrieux ist der Fünfte, der gemeinsam mit Bel seine Karriere retrospektiv betrachtet. In enger Zusammenarbeit haben Bel und Andrieux ein sehr direktes Stück erarbeitet. Die Bühne am Hau1 ist bis auf den Protagonisten leer. Es gibt keine Musik, nur den Tänzer und sein auf Schlüsselszenen reduziertes Leben.
Da steht also Cédric Andrieux am Rand der Bühne. In Tennissocken, Jogging-Hosen und Kapuzenpulli sieht er aus, als käme er gerade vom Training. Andrieux sammelt sich kurz, dann setzt er an – und erzählt. Der 33-jährige rekapituliert seine aussichtslosen Anfänge als zeitgenössischer Tänzer in Brest, seine Ausbildung in Paris. Andrieux führt einen Ausschnitt aus Philippe Tréhet’s Nuit Fragile vor, mit dem er den Grundstein seiner Karriere in New York legt. Man hört seinen Atem, sieht die Anstrengung. Er kann nicht gleich weiter sprechen.
Seine Zeit in Amerika ist gewissermaßen das Herzstück von Andrieux Tanzbiographie. Der Liebe willen akzeptiert der Tänzer ein räudiges Engagement. Dann wechselt er zur Kompanie von Merce Cunningham. Andrieux lässt das Publikum die quälende Monotonie der täglichen Exercise erleiden. Er beschreibt welche Schmerzen die Arbeit mit dem Choreographen bedeutet, demonstriert das Übertragen von am Computer kreierten Choreographien auf die Körper der Tänzer, tanzt Ausschnitte aus Biped und Suite for 5.
Am Ende erlebt das Publikum Andrieux‘ Befreiung: Nach acht Jahren Cunningham geht der Tänzer ans Ballett der Opéra de Lyon, um dort ein neues Körpergefühl zu finden. Auch hier gibt es Hoch’s wie Trisha Brown’s Newark, Tiefs (nie tanzt er Forsythe) und Schlüsselmomente: In Jérôme Bel’s The show must go on konfrontiert er erstmals das Publikum. Dann richtet sich das Licht wieder auf den Tänzer und er verabschiedet sich.
Zurück lässt Andrieux ein Publikum, das sich nach den konzentrierten Einblicken in die Welt des zeitgenössischen Tanzes erst einmal sammelt.
19.30 Uhr | 3. & 4. Dezember 2010 | HAU 1 | Stresemannstraße 29 | Berlin Kreuzberg