Andreas Maier liest aus seinem preisgekrönten Roman Das Zimmer.
Mit Das Zimmer beginnt Andreas Maier sein Romanzyklus-Projekt Ortsumgehung. Der Frankfurter Autor will darin die Geschichte seiner Familie und seiner Heimat zurückverfolgen.
Maier beginnt mit seinem Schreibzimmer im hessischen Bad Nauheim. Er schaut zurück auf die Zeit, als sein Onkel J. darin hauste. Und diese „literarische Nahaufnahme“ hat ihm gleich den mit 30.000 Euro dotierten Wilhelm-Raabe-Literaturpreis eingebracht.
Der Roman spielt Ende der Sechziger, als die hessischen Kleinstädter von der Mondlandung beschwingt, optimistisch in die Zukunft blicken. Der seit seiner Geburt geistig zurückgebliebene Onkel J. lebt hingegen in seiner eigenen Welt – und dem dunklen Kellerraum im Hause der Mutter. Er bewegt sich buchstäblich schmerzbefreit und bestialisch stinkend durch den Alltag. Der Schichtarbeiter liebt Maschinen und vor allem seinen braunen VW-Variant. Außerdem treibt er sich in den Bordellen des Frankfurter Bahnhofsviertels herum. Das Perfide: Der cholerische Unsympath handelt in kindlicher Einfalt und kann deshalb nicht nach den üblichen moralischen Kriterien beurteilt werden.
Das Zimmer begleitet Onkel J. für einen Tag – und wehrt sich mit ihm als Gegenfigur gegen eine romantische Verklärung von Heimat und Vergangenheit, wie Maier im Interview mit der ZEIT erklärt. Das liest sich dann mal heiter, mal ernüchternd. Vor allem ist es aber fein beobachtet.
Diese Beobachtungen trägt Maier heute Abend vor. Und wenn es mit seinem Vorhaben hinhaut, pro Jahr einen Teil seiner elfteiligen Ortsumgehung zu schreiben, dürften wir nächstes Jahr zur gleichen Zeit wieder von ihm hören.
20 Uhr | 12. Januar 2010 | Literaturforum im Brecht Haus | Chausseestraße 125 | Berlin Mitte