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Vietnam in Berlin

 

© Hebbel am Ufer

Vom 21. bis zum 27. November findet am HAU das Dong Xuan Festival statt.

Es ist ungewöhnlich, dass ein Festival nach einer Markthalle benannt wird. So geschehen beim Dong Xuan Festival, das sich auf den gleichnamigen Markt in Berlin-Lichtenrade bezieht, der das vietnamesische Zentrum Berlins ist.

Vordergründig ehrt das Festival die ehemaligen Vertragsarbeiter im Berliner Osten und die Boat People in Westberlin. Tatsächlich geht es aber nicht nur um Einblicke in das Leben der vermeintlichen „Vorzeigemigranten“. Vielmehr demontieren die Veranstaltungen auch unsere einseitigen Vorstellungen von Integration.

Begonnen hat das Programm mit Touren zum namensgebenden Markt. Unter dem Motto Dong Xuan oder Frühling in Lichtenberg stellen die Führungen noch bis Donnerstag die Markthallen und ihre unmittelbare Umgebung vor.

Heute startet das kritische Rahmenprogramm im HAU mit dem Ballett The white body von Ea Sola. Die französisch-vietnamesische Choreografin überträgt die Kampfschrift Von der freiwilligen Knechtschaft (1548) von Etienne de la Boétie auf das Diktat des Konsums. Ihre Tänzer hinterfragen den Stellenwert von Individuum und Kollektiv in der heutigen Gesellschaft.

Anschließend diskutieren der Künstler Danh Vo und die Kritikerin Elena Filipovic Vo’s künstlerischen Beitrag zum Festival, 2.2.1861: Vo hat die Plakate für das Festival von Vietnamesen gestalten lassen. Sie haben die Ankündigung auf die Plakate geschrieben oder besser gesagt: gemalt. Vietnamesen seien zwar mit unserem Alphabet vertraut, erklärt Vo. Die wenigsten Einwanderer könnten jedoch westliche Sprachen schreiben. Der zweite künstlerische Beitrag besteht darin, dass V0’s Vater Phung einen Abschiedsbrief abmalt – und zwar den last letter of Saint Theophane Venard to his father before he was decapitated. Theophane Venard war ein christlicher Missionar, der am 2. Februar 1861 in Vietnam hingerichtet worden ist. Die Missionare hatten das lateinische Alphabet ins Land gebracht.

Außerdem gibt es amerikanisch-vietnamesische Filmbeiträge, die Themen wie Wahrnehmung, Identität und Geschlechterrollen behandeln. Der Klassiker Surname Viet Given Name Nam (1989) von  Trinh T. Minh-ha dokumentiert die Lage vietnamesischer Frauen. Außerdem präsentiert Filmkurator Marc Siegel aktuelle Avantgarde-Produktionen, die den westlichen Blick herausfordern, wie die Kurzfilme aus The Blindness series (1992-2006) von Tran T. Kim-Trang. Die Filmemacher diskutieren danach jeweils mit den Zuschauern. Mit seinen Arbeiten will Vo unter anderem auch auf die Absurdität eines solchen Festivals hinweisen, das die Einwanderer selber nicht erreicht.

Zugegeben, am Ende richtet sich das Dong Xuan Festival doch nur an ein westliches Publikum. Aber immerhin reflektiert es dieses Problem auch. Die Veranstaltungen erlauben einen differenzierten Blick hinter eine scheinbar erfolgreiche Integrationsgeschichte. Sie beleuchten nicht nur Facetten der vietnamesischen Kultur, sondern halten uns auch einen Spiegel vor, wie selbstgefällig wir uns mit der Forderung nach Anpassung aus der Verantwortung ziehen.

siehe Programm | 21-27 November 2010 | HAU 1, 2 & 3 | Stresemannstraße 29, Hallesches Ufer 32 &  Tempelhofer Ufer | Berlin-Kreuzberg