Die Daimler Kunst Sammlung bespielt das Mercedes-Benz Museum. Aber gegen die Autos kommt die Kunst nicht an.
Art & Stars & Cars, der Ausstellungstitel klingt nach Glamour und Opulenz – und dem passenden Grund für einen Kunst-Roadtrip nach Stuttgart. Dort feiert das Mercedes-Benz Museum 125 Jahre Automobil und hat zu diesem Anlass die hauseigene Kunstsammlung eingeladen. Vom Gastgeber hätte man sich gewünscht, dass er der Kunst mehr Autorität zugesteht. Denn das Zusammenspiel klappte dort am Besten, wo die Kuratoren in den bestehenden Ausstellungskontext eingreifen konnten. Zumal wir hier nicht einfach von einem Automobilmuseum sprechen, sondern dem Museumstempel einer Marke.
Normalerweise arbeiten sich die Besucher im Inneren der kolossalen Konstruktion aus Beton, Stahl und Glas auf zwei um ein zentrales Atrium gewundenen Spiralen von oben nach unten durch rund 1500 Ausstellungsstücke, vornehmlich perfekt ausgeleuchtete Karosserien sowie Mercedes-Benz-Devotionalien und ein bisschen was zum Spielen. Auf dem Abstieg von der Motorkutsche zum aktuellen SLK bleibt nichts dem Zufall überlassen. In den Mythos- und Kollektionsräumen sind sogar Hintergrundmusik und an manchen Stellen der Geruch (Diesel und qualmende Reifen) auf die Autos abgestimmt. Seit der Eröffnung 2006 blieb das perfekt orchestrierte Arrangement nahezu unangetastet. Jetzt stellt die Daimler Kunst Sammlung hier mit 250 Kunstwerken zwar so viele Arbeiten aus wie noch nie. Leider bleibt der Kunst nur die Nebenrolle beschieden. Dabei hätte sie alle Aufmerksamkeit verdient.
Art & Stars & Cars beginnt spektakulär. Noch im Eingangsbereich empfängt den Besucher ein räudig aussehender Sportwagen, unlackiert und mit Schweißnähten. C111 (2011) ist eine Auftragsarbeit des Berliner Bildhauers Michael Sailstorfer. Der hat einen Mercedes-Benz 190 (W 201) demontiert und daraus einen buchstäblichen Traumwagen collagiert, den nie seriell produzierten C111. Das Beste: Er fährt.
Die Vorfreude wächst mit der Fahrt in den futuristischen Aufzügen. An der gegenüberliegenden Wand vollzieht die Animation Street Gym (2004) des südafrikanischen Künstlers Robin Rhode den Fahrtverlauf nach. Kurze Ernüchterung als sich oben die Türen öffnen: Dort erwartet den Besucher ein klassischer Dialog aus Motorkutschen und Werken des Stuttgarter Hölzel-Kreises sowie den Silkscreenprints aus Warhols Cars-Serie (1986), dem ersten Auftragswerk der 1977 gegründeten Sammlung.
Zwar funktioniert das Dialogprinzip im weiteren Ausstellungsverlauf nicht immer. Dafür entschädigen aber teilweise raffinierte Lösungen, wenn beispielsweise die Ready-Made-Suchskultpur Don’t do it! (Readymades of the 20th Century) (1997/2000) von John M. Armleder im Inneren eines Lieferwagens präsentiert wird. Ein Ausstellungsstück haben die Kuratoren der Daimler Kunst Sammlung gleich ganz ersetzt – durch einen identischen, aber mit Acrylfarbe bedeckten Mercedes-Benz 190 von Bertrand Lavier.
Etwas zu dicht geraten ist die Extra-Ausstellung zu den Sammlungsschwerpunkten „abstrakte Avantgarden“ und „internationale Medienkunst“, wo sich die fantastischen Arbeiten manchmal gegenseitig erdrücken. Aber auf dem Weg zum Ausgang wartet als umso großzügigerer Höhepunkt die Auftragsarbeit Silberpfeile – reversed and extended (2011). Hierfür hat der Schweizer Künstler Nic Hess die Galerie der Silberpfeile und Rennsportwagen buchstäblich in eine riesige Installation verstrickt sowie um eine Wandzeichnung aus Klebebändern ergänzt. Soviel Ironie hätte man im Mercedes-Benz Museum gar nicht mehr erwartet.
Egal wie gut die Kunstsammlung ist oder wie interessant die Autokollektion, am Ende des Abstiegs freut man sich vor allem, die visuelle Herausforderung einer Ausstellung in einer Ausstellung gemeistert zu haben. Ein abschließender Blick in den Katalog zeigt, wie viele Kunstwerke der Besucher dabei übersehen hat. Aber der Star ist hier nun einmal der Mercedes-Benz. Einer muss ja schließlich das Geld für die Kunst nach Hause bringen.
noch bis zum 25. September 2011 | Mercedes-Benz Museum | Mercedesstraße 100 | Stuttgart