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Und was machen wir jetzt? ZEIT ONLINE startet „Die Antwort“

 

Weltverbesserung: Und was machen wir jetzt? ZEIT ONLINE startet „Die Antwort“ - Fragen der Zeit

 

Die Welt wird immer besser. Sie werden es nicht glauben: Oft berichten wir bei ZEIT ONLINE über Dinge, die sich zum Schlechteren entwickeln. Populismus, politisches Versagen, Angriffe auf die Privatsphäre, Umweltzerstörung, Betrug oder Gewalt sind regelmäßig Thema unserer Homepage. Weil wir es wichtig finden, dass unsere Leserinnen und Leser von Missständen erfahren und informiert handeln können.

Wir berichten aber ebenso ausführlich über Durchbrüche in der Wissenschaft, erfolgreiche Reformen oder couragierte Menschen, die Veränderungen zum Besseren anstoßen. Dennoch ist der Blick der Menschen auf die Welt negativ getrübt. Wir alle nehmen Negatives stärker wahr als Positives. Psychologen nennen diesen Reflex „Negativitätsbias“. Viele Medien triggern ihn bewusst, um Leser für ihre Geschichten zu interessieren. Aber selbst wenn keine Absicht dahinter steht: Schlechte Nachrichten haben oft unmittelbare Konsequenzen für eine Vielzahl von Menschen. Also berichten wir häufig darüber.

Wir recherchieren, welche Ideen funktionieren

Um dieser Trübung etwas entgegenzusetzen, starten wir heute einen neuen Schwerpunkt auf ZEIT ONLINE. Wir nennen ihn: „Die Antwort“. Unter diesem Namen wollen wir uns regelmäßig Menschen und Projekten widmen, die nach Lösungen für ein drängendes Problem suchen oder bereits dazu beitragen, dass sich Dinge zum Guten wenden. Wir recherchieren, wie die Welt besser werden kann und fragen, welche Ideen wirklich funktionieren.

Damit verfolgt „Die Antwort“ einen Gedanken weiter, der im Jahr 2016 zum 20. Geburtstag von ZEIT ONLINE entstanden ist: Damals riefen wir junge Leserinnen und Leser dazu auf, sich mit einer Idee „zur Verbesserung der Welt oder des eigenen Lebens“ bei uns zu melden. 600 von ihnen im Alter von 2X, also von 20 bis 29, luden wir für ein Wochenende nach Berlin ein, um ihre Ideen mit uns und vor allem miteinander zu diskutieren. Es kamen Aktivistinnen und Wissenschaftler, Start-up-Gründerinnen und junge Parteipolitiker. Was sie verband war der Wunsch, Antworten zu finden auf die Probleme unserer Zeit. Auf dieses erste Festival mit dem Titel Z2X folgten viele weitere in ganz Deutschland, die Z2X-Gemeinschaft zählt heute mehr als 5.000 Mitglieder.

Mit Z2X machen wir vielversprechende Ideen und Ansätze zur Weltverbesserung sichtbar. „Die Antwort“ übersetzt diesen Gedanken nun in Journalismus. (Teilnehmende von Z2X-Festivals können deswegen auch in „Antwort“-Geschichten auftauchen. Für den journalistischen Umgang mit Z2X haben wir uns hier bereits einige Regeln gegeben.)

Die Lösung wird zur Geschichte

Inspiriert hat uns auch der Ansatz von US-amerikanischen Kollegen rund um die Pulitzer-Preisträgerin Tina Rosenberg. „Solutions Journalism„, zu deutsch „lösungsorientierter Journalismus“, heißt das Konzept, das Rosenberg zum Beispiel in ihrer sehr lesenswerten Fixes-Kolumne für die New York Times verfolgt.

Die Idee ist einfach: Die Lösung soll zur Geschichte werden und nicht immer nur das Problem. Wasserverschmutzung, Obdachlosigkeit, Artensterben – alles ausführlich beschrieben. Aber wie reagieren Kommunen, Unternehmen, Aktivistinnen und Erfinder auf diese Probleme? Lösungsorientierter Journalismus beginnt bei der Frage: Und was machen wir jetzt?

Es geht also explizit nicht um eine Art Wohlfühljournalismus. „Die Antwort“ wird nach Lösungsansätzen suchen, die effektiv und reproduzierbar sind. Und da es nie die eine Lösung auf ein komplexes Problem geben kann, zeigen wir auch, wo die Grenzen einer Idee liegen. Oft werden wir Teillösungen vorstellen, für einen kleinen Ausschnitt des Problems.

89 Kaffeebecher landen pro Sekunde im Müll. Und jetzt?

  • Zum Start fragt die Autorin Juliane Frisse, warum es ihr so schwer fällt, auf Wegwerfbecher zu verzichten. Sie begibt sich auf die Suche nach einem Weg, sich im Alltag umweltfreundlicher zu verhalten – und findet ihn.
  • Die bahrainische Menschenrechtsaktivistin Esra’a Al Shafei erklärt, warum es in ihrem Onlineforum für homosexuelle Jugendliche keine Trolle gibt. Sie hat weder ein Mittel gegen die Diskriminierung von homosexuellen Menschen gefunden noch das Internet von Hasskommentaren befreit. Aber sie hat eine neue Strategie entwickelt, die andere, größere Plattformen inspirieren könnte.
  • Ein neuer Ansatz in der Obdachlosenhilfe schlägt vor, Wohnungslosen einfach eine Wohnung zu geben – ohne Bedingungen. Ist das Problem damit gelöst?
  • Seit 1. Januar 2019 ist in Deutschland ein neues Verpackungsgesetz in Kraft, das Plastikmüll reduzieren soll. Hält es, was es verspricht?

Wenn Sie nun selbst eine Idee haben, wer oder was in „Die Antwort“ einmal Thema werden sollte, freuen wir uns über Ihre Anregungen. Amna Franzke verantwortet künftig neben dem Programm von ZEIT Campus ONLINE auch „Die Antwort“. Sie erreichen sie und die „Antwort“-Redakteurinnen Juliane Frisse und Sophia Schirmer per Mail unter: antwort@zeit.de.


Einige Autoren dieses Blogs

PS: Dass die Welt immer besser wird, ist im Übrigen ein Gedanke des US-Wissenschaftlers Steven Pinker, der für sein jüngstes Buch Dutzende von Statistiken zusammengetragen hat, die ein Bild des weltweiten Fortschritts zeichnen. Wie es dazu kam, erklärt Pinker hier den Kollegen von ZEIT Wissen im Podcast.

41 Kommentare

  1.   Thoger

    Ganz egal, ob es diese Idee schon gibt – wie weiter oben bemängelt wurde, oder ZON selbst oft primär Probleme in den Fokus rückt:
    Ich finde die Idee super und freue mich auf spannende Antworten :)
    Nur schade, dass man mit Mitte 30 nicht mehr zum Z2X darf….

  2.   Martin Köster

    zwei anmerkungen …

    was mich etwas irritiert, und zwar schon von anfang an, das ist die beschränkung auf personen von 20-29 beim projekt Z2X.
    als 51jähriger fühle ich mich da etwas vor die tür gestellt.
    aber sei es nun mal wie es ist, ich wünsche der sache jedenfalls viel erfolg, es ist eine sehr gute idee.

    zum „Negativitätsbias“ mache ich mir schon länger gedanken.
    wie wäre es, wenn man den vielen schlechten nachrichten jeden tag zumindest eine gute gegenüberstellt ?
    und diese auch prominent unter den ersten 5-10 titelthemen unübersehbar platziert ?

    es ist nämlich wirklich so, dass nur gute nachrichten die menschen dazu bringen sich die frage zu stellen warum „woanders“ eine positive entwicklung vonstatten geht, es aber in meinem landkreis, oder in meinem land, keinen solchen fortschritt gibt.

    geht da vielleicht was in diese richtung ?

    mfg. martin köster

  3.   Tom Richter

    Es gab in der deutschen Geschichte schon Einige, die meinten „die Antwort“ zu haben. Je mehr man sich auf diese Antworten fokussierte, desto schlimmer wurde es und desto weniger Raum blieb jedesmal für andere Sichtweisen. Insofern passt das schon in die Zeit.

  4.   FrankFr

    Der Salzschmelzereaktor kann Thorium, Uran und Atommüll verbrennen und hat noch sehr viele andere Vorteile gegenüber Kohle, Öl, Gas, Wind und Solar. Er wird zur Zeit in China entwickelt, im Silicon Valley, von Spin Offs der Ivy League Universitäten und in Russland. Deutschland, einst führen in Kerntechnik, verpasst die Entwicklung und wird daher in spätestens 20 Jahren beginnen, diese wichtige Infrastruktur Technik aus dem Ausland einzuführen.

  5.   Cake2.0

    „Wir alle sehen die Welt schlechter als sie ist.“

    Hm. Ich glaube nicht. Die meisten wissen nicht ansatzweise, wie übel vieles ist. Unerträglich übel.

  6.   tüpfleschießa

    Gegen das Konzept des neuen Formats, nicht nur auf Probleme hinzuweisen, sondern auch gleich Lösungsansätze aufzuzeigen, habe ich nichts einzuwenden. Doch die Vorstellung mit Thesen wie „Wir alle sehen die Welt schlechter, als sie ist.“ und „Die Welt wird immer besser.“ zu beginnen, stößt mir sauer auf. Entsteht durch eine solche „Erzählung“ nicht eine Tendenz, bestehende Probleme kleinzureden, anstatt sie hoffnungsvoll anzupacken?
    Wenn die Welt doch eh besser ist als eigentlich gedacht, können wir uns doch alle getrost zurücklehnen und dem (technologischen) Fortschritt bei der Lösung unserer Probleme zusehen. Die Einsicht in die Mitverantwortlichkeit und in die daraus resultierende Pflicht jedes Einzelnen, seinen Beitrag zur Verbesserung der irdischen Verhältnisse zu leisten, wird dadurch – in der Tendenz – in ihrer Verbreitung behindert.

    Auch wenn es so sein sollte, dass die Welt sich im Großen und Ganzen zum Besseren entwickelt – was ich allerdings kulturpessimistisch bezweifeln würde ;)-, so sollten wir dennoch darauf achten, dass wir das zur Verfügung stehende Potenzial für Verbesserungen voll ausschöpfen. Dies schließt den persönlichen Einsatz jedes Einzelnen ein. Weiters sollten wir uns hüten, in blinden Fortschrittsoptimismus zu verfallen, der im schlimmsten Falle in einem unaufgeklärten Rationalismus und positivistischen Szientismus enden könnte. Dies würde wohl zu einer weiteren Verschärfung vielfältiger Probleme unserer Zeit führen.

    Ansonsten begrüße ich das neue Format und freue mich auf interessante Berichte. Liebe Grüße aus dem Voralpenland. D.

  7.   PinkPurple

    Die Welt muss nicht verbessert werden, die ist gut genug. Es sind die Menschen die sich ändern sollten. Aber leider werden sie nie global an einem Strang ziehen.

  8.   Daniel Peter

    Danke. Es stimmt, so funktionieren wir Menschen. Wahrscheinlich ist das sogar ein nützlicher Effekt: Schlechtes ist potentiell bedrohlich = nicht ignorieren, könnte mich betreffen. Gutes= ah, ganz nett, muss aber nicht unmittelbar „reagieren“
    Und weil das so ungefähr tatsächlich stimmt, wird der öffentliche Diskurs von Schlechtem beherrscht. Es erfordert Mut, Durchhaltevermögen und ja, auch mal ein bisschen Ignoranz, über diesen Mechanismus hinauszuwachsen und sich mehr auf die Dinge zu konzentrieren die gehen. Als auf die, die schon wieder nicht gehen.
    Von daher: ein Lob an die Zeit für dieses Format. Lasst Euch hier nicht beirren, Ihr tut was Gutes. Danke!

  9.   Dietersen

    Ganz wichtige Sache. Es wird auch und gerade durch den permanenten Nachrichtenstrudel der Eindruck erzeugt, alles würde immer schlimmer.

    Ein gutes Beispiel dafür, wie diese Mechanismen funktionieren, las ich in der Printausgabe der Zeit letzten Herbst. Es ging um die vielen Badetoten im letzten Sommer. Sofort schwoll der Chor der Erklärer an, die Handyeltern, die Nichtschwimmerkinder, die geschlossenen Bäder.

    Dass 1970 mehr als doppelt so viele Menschen in Deutschland ertrunken sind, stand komischerweise nirgends (außer in Ihrem Artikel), es wurde in allen Pressemeldungen der Eindruck erweckt, als sei dies ein absoluter Höchststand. Auch, dass der Sommer natürlich ein Rekordsommer war im Vergleich zur Gurke des Vorjahres und es dementsprechend viel mehr Gelegenheiten gab, zu ertrinken, spielte natürlich kaum eine Rolle in den Artikeln.

    Und so wie in diesem kleinen Beispiel geht es ja überall so, seien es die Großthemen Armut, Hunger oder Krieg – fast alles ist in dieser Hinsicht besser als vor 20 oder 50 Jahren – trotzdem werden wir mit einem Strom schlechter Nachrichten konfrontiert, permanent, von morgens bis abends.

    Hans Rosling ist hier in der Tat eine sehr wichtige Figur, sehr empfehlenswerte Videos auf Youtube, sehr gutes Buch „Factfulness“. Leider verstorben.

  10.   Karol

    Ich finde schon, dass machobbes nicht Unrecht hat.

    Meiner Meinung nach zielt die Berichterstattung im Großteil unserer Medien auf die Ängste ihrer Leser ab, da diese offenbar eher den Impuls auslösen etwas seine Aufmerksamkeit zu schenken. Den Folgen wird aber nur selten die nötige Aufmerksamkeit geschenkt.

    Ich selbst arbeite in der Werbung und habe dieses traurige Schauspiel entsprechend oft auf meinem Schreibtisch.

    In dem Artikel „Die Psychologie des Kaffebechers“ sehe ich eine schöne Paraelle dazu.

    Es geht um die Doppelmoral des Invividuums im Umweltschutz und wie unsere Bequemlichkeit, Emotionalität und Gewohnheit uns Ausreden erfinden lässt, um nicht rational zu handeln.
    Als Lösungsansatz wird ein psychologischer Trick vorgestellt, das „Nudging“, das eine Form von positiver Manipulation darstellt. Ein guter Ansatz finde ich, da es Aufmerksamkeit schafft. Dennoch ist das positive Vorbild der effektivere Weg zur Motivation.

    In seinem Buch „The Achievement Habit“ schreibt Bernard Roth, dass Ausreden unser Verhalten zu ändern im Grunde nur bedeuten, dass uns etwas nicht wichtig genug ist oder im Konflikt mit etwas steht, das uns wichtiger ist.

    Zurück zu machobbes.

    Die exemplarischen Headlines sind allesamt sehr besorgniserregend formuliert und nutzen den Negativitätsbias der Leser meiner Meinung nach aus. Auf diese Art und Weise wecken sie die Aufmerksamkeit der Leser wahrscheinlich recht effektiv .
    Aber wären folgende Headlines nicht förderlicher, wenn man versucht den Menschen ein weniger negatives Bild der Gegenwart und Zukunft zu vermittel?

    „Finden Sie Ihre Berufung! Hebammen gesucht“
    „Gute Luft ist keine Selbstverständlichkeit“
    „Was wissen Sie über Endometriose? Warum Sie sich informieren sollten“
    „Alterswohlstand wird seltener“
    „Warum Sie Ihrem Kind ein positives Bild der Zukunft geben sollten“

    Ich bin kein professioneller Texter, und ich will nicht sagen, dass die ZON eine ausgeprägte Doppelmoral hat. Wie alle anderen müssen Sie die Zahl Ihrer Leser optimieren um Ihre Arbeit weiterhin gut machen zu können.
    Aber ich bin sicher die Redaktion der ZON könnte hier bemühter sein entsprechende Formulierungen zu finden, die nicht auf den Negativbias der Leser abzielen und stattdessen mit gutem Vorbild vorangehen und den Menschen eine weniger negative Sicht der Dinge bieten.

    In diesem Sinne auf die 42!

 

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