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Der Mann mit dem Gewehr

 

Vorsicht vor Frauen, die mit geschnickten Popeln jeden Mann in Fleischbrei verwandeln. Unser Kolumnist spielt Anstandsdame und muss sich gut wappnen. Das Fax der Woche.

Stolz der Unterschicht: die einmalige Karin. Sie hat in ihren Reisepass Totenköpfe gemalt, und gekreuzte Schaftknochen, gleich neben dem Foto, auf dem sie aussieht wie die einmalige Karin. Ihr Anblick haut Siggi um. Roter Lack, rote Lippen, rotes Haar. Jan, der Kumpel vom Bau, hat ihn gewarnt: Finger weg von der Roten, vom Schmachten fällt dir der Arsch ab. Siggi lebt ohne Arsch. Und sitzt ohne Arsch im Eiscafé, am Tisch mit der tschilpenden Karin, die ihm aus Spaß den kleinen runden Mandelkeks ins offene Maul warf.

Die Freundin neben ihr ist Türkin, keine Pracht ihrer Sippe. Doofer als Karin, nicht so doof wie Siggi. Aysche im Glück, sie hat sich Affenschaukeln ins Haar geflochten, und mit Festiger besprüht, zwei Mini-Totenkränze liegen ihr auf den Ohren auf. Das Wort Rendezvous spricht sie aus, als ginge es um Kampfsport: Rand Fu. Sie sagt: Ich bin das erste Mal Anstandsdame bei einem Rand Fu. Und was bist Du? Siggis Gewährsmann, sage ich, er hat darauf bestanden. Jetzt starren mich alle an, und Siggi mahnt, ich solle mal keinen Kack erzählen, er sei unbewaffnet, und er brauche auch keinen Träger für ein Gewehr, er wolle im Bilde bleiben, Karin würde jeden Kerl, der mit einer Kanone auf sie schieße, mit einem geschnickten Popel aus ihrer herrlichen Nase in Fleischbrei verwandeln.

Faksimile des Faksimiles von Feridun Zaimoglu
Faksimile des Faksimiles von Feridun Zaimoglu

Ich denke: Siggi, du Depp, jetzt hast du es dir mit dem Mädchen vergrüßt. Aber die einmalige Karin, und die Affenschaukel-Aysche strahlen ihn an. Aysche möchte auch bei dem nächsten Rand Fu dabei sein, sie träume von einem Mann, der das Gegenteil von mir, dem Mann mit dem Gewehr, sei, keine Glubschbrocken, kein Gemüse statt Bizeps, keine Zombieblässe. Ich schiele zur Seite, Siggis Hand liegt auf Karins Hand, sein Mund steht offen, und als die Einmalige Anstalten macht, ihm einen Zuckerwürfel rein zu werfen, klappt er den Mund schnell wieder zu. Rand-Fu-Aysches Onkel flitzt an den Tisch. Angaben zur Person: Amateurringer gewesen. Jetzt Fake-Italiener. Führt das Eiscafé, Kellnerinnen haben ihn mit Signor Giovanni anzusprechen. Sittenstreng. Er geht bei Küssen, und aber auch, nach Tageslaune, bei Händchenstreicheln dazwischen.

Giovanni stiert auf Siggis Hand auf Karins Hand. Rand Fus Affenschaukeln schaukeln, sie zittert. Ich starre auf das dicke Muttermal auf Giovannis Glatze. Er sagt im Italo-Deutsch: Wasse isse dasse? Liebende Hände, sagt Rand Fu. Erregte Unterhaltung, Onkel rügt Nichte auf Italo-Türkisch. Ungefähre Übersetzung: Wie kannst du dich mit einem solchen Gelumpe abgeben? Der Kerl da in Schwarz, mit den Glubschbrocken im Gesicht, wer isse dasse? Isse trübe Tasse … Bin ich nicht, sage ich ruhig, ich bin der Mann mit der Gewehr, die Waffe liegt im Wagen, dieses Lokal ist ein Ort des Friedens. Der Onkel erschrickt, weil ich ihn verstanden habe, flitzt zurück, übergibt das Kommando Uschi, der Kellnerin seines Vertrauens, und schließt sich im Privatklo ein. Rand Fu sagt: Tut er immer dann, wenn er beschämt ist, oder wenn man ihn beschämt hat. Siggis Hand liegt auf der Tischkante.

Karin ist sauer auf Giovanni: Er vergrätzt den neuen Bewerber, den sie sich anlacht, das ist schon das achte Mal in neun Monaten. Siggis Hand liegt auf seinem Schoß, die Worte der Holden haben ihm gar nicht gefallen. Er rechnet an den Fingern nach, verrechnet sich, versucht es wieder, gibt auf. Karin und Rand Fu streiten über Anstand und Moral. Aysche, Zierde ihrer kleinasiatischen Großfamilie, will das Banner der Reinheit auch an der deutschen Küste tragen. Schnepfenschwatz. Ich mag nicht länger ein Mann des Gewehrs sein. Siggi ist tot, nein, er regt sich, wir erheben uns. Karin fällt Siggi um den Hals. Küsse. Schmatzen und Schmachten. Liebe verabschlusst, Liebe da. Ich gehe grußlos ab, ich muss Thermosocken kaufen.