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Lasst uns über Frauen lachen

 

Männer stempeln Frauen gern als humorfrei ab. Und den Feminismus gleich mit. Was für ein erbärmlicher Versuch, mit der Angst vor dem anderen Geschlecht umzugehen.

Lasst uns über Frauen lachen - Freitext
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Lasst uns über Frauen lachen. Über Frauen, die Witze machen. Witze über Politik, über Religion, über Männer, über alles. Natürlich auch Witze über sich selbst – die werden Frauen, die komisch sind, ja immer als erstes abverlangt. Damit Männer, die nicht komisch sind, keine Angst haben müssen. Denn über sich selbst zu lachen gilt bei Männern, die nicht komisch sind, als hinreichender Nachweis von Schwäche, als Geste der Unterwerfung. Sodass sie die komischen Frauen dann gewähren lassen können.

Ja, die Männer, die nicht komisch sind: Geißel der Menschheit. Und eine von deren Lieblingsvokabeln, wenn sie über Frauen reden, ist „humorfrei“.

Doch ehe wir selbst schon wieder über Männer reden, lasst uns über Frauen lachen. Zum Beispiel über Sarah Silverman. Über Tina Fey und Amy Poehler. Über Carrie Brownstein, Desiree Akhavan, Amy Schumer. Und immer wieder über Ellen DeGeneres, durch deren Show all die anderen tingeln und deren Verdienste um das Komische – in ihrer Doppelfunktion als Grande Dame und guter Geist des US-Comedy-Universums – unermesslich sind.

Übrigens nicht nur very funny, diese Ellen DeGeneres, sondern auch lesbisch und Veganerin. Für konservativ geschätzt 85% der Deutschen liegt diese Kombination noch heute außerhalb des Vorstellbaren.

Und natürlich war das eben Namedropping, aber bitte gebt, falls ihr es nicht längst getan habt, einfach jeden der Namen einmal bei YouTube ein. Dann ist der Tag zwar gelaufen, aber ihr habt gelacht wie schon lange nicht mehr. Und ja, lasst uns meinetwegen beklagen, dass ein ähnlich beeindruckendes und prominent platziertes Panorama an weiblicher Komik in der deutschsprachigen Fernseh-, Film und Bühnenlandschaft nicht geboten ist. Bisher.

Wobei, wir haben ja zum Beispiel Anke Engelke. Fast jede Folge Ladykracher war ein Fest. Aber klar, dass so eine Sendung hier nicht einfach „Kracher“ heißen kann. Wenn die Lady es krachen lässt und nicht der Typ, muss das eben immer noch als Ausnahme markiert werden.

Ladies ist überhaupt die Parole für komische Frauen im deutschen Fernsehen. Seit immerhin Mai 2007 führt Gerburg Jahnke im WDR regelmäßig durch die Ladies Night. Und wie heißt es dazu beim Sender? „Geballte Frauenpower, wenn Gerburg Jahnke zu ihrer ‚Ladies Night‘ einlädt. Im Kölner Gloria-Theater präsentiert sie wieder hochkarätige ‚Gästinnen‘, die mit ihrer rein weiblichen Sicht auf die Dinge garantiert auch die Männerwelt begeistern werden.“

Witze machende Frauen unter sich. Im deutschen TV. Wie soll die Männerwelt das verkraften? Auch nach acht Jahren wird das Format als Experiment gehandelt, als etwas irgendwie Mutiges oder gelinde Abseitiges: etwas, das mit Keine-Angst,-wir-sind-bloß-doof-Vokabular („geballte Frauenpower“) und Verballhornungen eines gegenderten Sprachgebrauchs („Gästinnen“) beworben und auf jeden Fall den Herren dann noch gesondert schmackhaft gemacht werden muss.

Weithin gilt Komik in Deutschland eben nach wie vor als Männersache und die komische Frau als Betriebsunfall. Die Zeit, als für sie bloß zwei Rollen zur Verfügung standen – die Ulknudel oder die lustige Alte, beide für Männer zutiefst unbedrohlich –, ist zwar vorbei, wirft aber einen langen Schatten. Der fällt sogar auf Martina Hill (Knallerfrauen, auch so ein Titel, in dem die Grenzziehung zwischen komisch und weiblich noch nachwirkt). Und wenn Carolin Kebekus ihm entgeht, dann nur, weil sie unglaublich gut ist. Besser als all die Männer in der Branche; in ihren Sternstunden – zum Beispiel bei der „Karriereprothese“ – sogar einen Tick besser als Jan Böhmermann.

Was das bedeutet, bringt ihr Badesketch, in dem sie zusammen mit Anke Engelke auftritt, auf den Punkt. Die Ältere steigt zur Jüngeren in die Wanne und legt ihr sardonisch dar, welche Bürde sie sich als „die neue Comedy-Päpstin“ aufgehalst habe: „Du bist jetzt Rosa Luxemburg, Jeanne d’Arc und Andrea Nahles, vereint zu einer monströsen Mutter-Mumu.“ Die Show von Carolin Kebekus heißt Pussy-Terror-TV.

Nun jedoch wollen wir uns kurz humorfrei nehmen. Also zurückkommen zu den Männern, die nicht komisch sind. Dabei wechseln wir auch das Medium, denn ihr üppigstes Biotop haben die Männer, die nicht komisch sind, im konservativen Feuilleton. Das war immer schon so, dafür wurde das konservative Feuilleton schließlich erfunden, und daran ändert bislang auch die große Printkrise nichts. Anders geworden ist seit Ende der Neunziger nur, dass sie sich dort selbst für komisch halten. Für zum Brüllen komisch sogar. Aber sie halten sich auch für Pop, wenn ihnen das gerade angeraten scheint, und sie halten sich sogar für Avantgarde.

Der findige Aktivist, der diese verdrehte Selbstwahrnehmung herrenclubfähig gemacht hat, heißt Ulf Poschardt. Über ihn herziehen mag ich aber nicht, denn erstens finde ich, das haben schon genug andere getan, zweitens nervt er zwar furchtbar, aber er liebt den Diskurs. Die Debatte. Er liebt sie so sehr, dass er sich dafür auch als Prügelknabe hergibt.

Eigentlich war mit dem Rattelschneck-Strip Ulf Poschardt beim Großen Meister schon vor zehn Jahren alles über ihn gesagt (der Text dazu ging so: „[UP]: Guten Tag, ich heiße Ulf Poschardt und bin neokonservativ. Mein Problem: Die Leute lachen über mich. [Meister]: Du musst dafür sorgen, dass die richtigen Leute über dich lachen. [UP]: Soll ich mich Posch Ulfardt nennen? [Meister]: HAHAHA“). Wenn er seine endlose Romanze mit dem Neoliberalismus dennoch unter hoher Anteilnahme der Öffentlichkeit weiter ausleben und inzwischen sogar wieder „Themen setzen“ kann, ist daran ja nicht er selbst schuld.

Wenn aber nun aus dem Biotop der nicht komischen Männer heraus eine Feminismusdebatte lautstark mit der These „Gleichberechtigung ist uncool“ bespielt wird, während die potenziellen Kalendermädchen aus dem Redaktionsdunstkreis – wow, wie frech und anders und sexy, was brauchen wir da noch Emanzipation! – die SUV-Rhapsodien für die Autoseiten schreiben dürfen, dann ist dringend Paroli geboten.

Die Kampagnen aus dem Biotop folgen einer Taktik, die sich als reaktionäre Bodenlosigkeit beschreiben lässt. Sie bedient sich einiger Kunstgriffe aus dem Fundus der romantischen Ironie, um spielerisch und ungreifbar („unideologisch“) zu erscheinen. Hinter der legeren Pose aber pflanzt sich ein Denken fort, das in so wahnhaften wie hinterhältigen Schlagworten wie „linksökologische Diskurspolizei“, „Gewissensmonopol“ oder „Staatsfeminismus“ aushärtet; immer getreu der alten Werbermaxime, dass man den größten Schwachsinn nur genug aufplustern und penetrant wiederholen muss, damit die Leute ihn irgendwann glauben.

Und „humorfrei!“ kräht diese Rhetorik gerne da, wo sie einer anderen Sicht argumentativ wenig entgegenzusetzen hat; diskreditieren geht dann natürlich immer noch. Ach ja: „Humorfrei“ statt „humorlos“ heißt es, weil das irgendwie frischer, schnodderiger klingt.

Wenn aber weite Teile der Gesellschaft, sei es aus Lethargie, Resignation oder Verblendung, solchen propagandistischen Hirngespinsten auf den Leim zu gehen drohen, brauchen wir Gegenmittel. Und die finden wir am ehesten bei den komischen Frauen. Oder wie Carolin Kebekus sagt: „Natürlich bin ich Feministin.“

Und natürlich finden wir die komischen Frauen heute nicht nur auf den Comedybühnen. Sogar unter den Belletristikerinnen tummeln sie sich, dass es eine Freude ist. Viel ist ja über die beispiellose Zehn-zu-vier-Ratio zwischen Frauen und Männern beim diesjährigen Bachmannpreis-Wettlesen geschrieben worden. Noch nicht genug aber darüber, dass wiederum vier dieser zehn Autorinnen ziemlich komische Texte vortrugen: Nora Gomringer, Monique Schwitter, Teresa Präauer und Dana Grigorcea. Wenn das kein Grund zum Fürchten ist, Männer.

Dass dann der komischste dieser Texte – der von Teresa Präauer, der obendrein als Einziger das Mann-Frau-Ding frontal anging – bei drei Stichwahlen unterlag und unprämiert blieb, ist sehr schade, aber vielleicht auch wieder irgendwie komisch.

Apropos: Sollte ich ohne jeden Quotengedanken den komischsten deutschsprachigen Roman der letzten zehn Jahre benennen, würde ich sagen, Die schärfsten Gerichte der tatarischen Küche von Alina Bronsky.

Lasst uns über Frauen lachen. Und die Trompeter der reaktionären Bodenlosigkeit nackig machen.

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