Lesezeichen
‹ Alle Einträge

Umgang mit politischen Anzeigen bei ZEIT und ZEIT ONLINE

 

Am vorvergangenen Freitag ist eine Anzeige der Initiative für Neue Soziale Marktwirtschaft in mehreren Print- und Onlinemedien erschienen, so auch auf ZEIT ONLINE. Sie zeigt Annalena Baerbock mit Steintafeln und in Kleidung, die auf die Figur des Moses anspielt, mit der Titelzeile: „Annalena und die zehn Verbote“. Diese Anzeige wurde vielfach kritisch diskutiert – unter anderem, weil sie eine Politikerin persönlich angreift und herabwürdigt. Einige Kritiker bescheinigen der Kampagne zudem eine antisemitische Ikonographie.

Auch die Chefredaktionen von ZEIT und ZEIT ONLINE sehen die Kampagne kritisch. Anzeigenabteilung und Redaktion arbeiten wie üblich getrennt voneinander, eine Diskussion dazu fand deshalb vor Veröffentlichung nicht statt. Wir haben aus diesem außergewöhnlichen Fall die Konsequenz gezogen, dass politische Kampagnen bereits im Vorfeld zwischen Verlagsleitung und Chefredaktion diskutiert werden. Die Entscheidung über eine Veröffentlichung liegt davon unbenommen beim ZEIT-Verlag.

Weitere Kampagnen, die mit einer ähnlichen Bildsprache auf diese erste Kampagne anspielen, hat der ZEIT-Verlag abgelehnt.

120 Kommentare

  1.   Lumpo

    Für alle, die es noch nicht meitbekommen haben. Hier z.B. ein Faktencheck zur Anzeige: https://www.nordbayern.de/politik/faktencheck-zur-anti-baerbock-kampagne-sind-die-grunen-eine-verbotspartei-1.11143076?cid=19.1612420

    Ansonsten war es sehr hilfreich, diese Anzeige zu schalten, den für die INSM war es meines erachtens der berühmte Schuss ins Knie.

  2.   das_freie_wort

    Gute Entscheidung, wobei ein moralischer Kompass bei der Anzeigenabteilung schon früher gut getan hätte. Aber gerade mit Blick auf diesen sehr aggressiven Bundestagswahlkampf, sicher nicht zu spät!

  3.   Waldsee

    Dito – eine sehr gute Entscheidung.
    Eine politische Anzeige, die einen Menschen persönlich angreift und herabwürdigt (egal wen!) geht einfach gar nicht.

    Gut das man darüber spricht und kleine Pannen sind auch schon der NYT und der Washington Post passiert.

  4.   Bundesdieter

    Sofern solche Kampagnen sich in einem Rahmen bewegen, der nicht zulässt, dass Einzelpersonen bloßgestellt oder diffamiert werden, was natürlich überhaupt nicht geht, fände ich es gut, wenn sie im Zweifelsfall sofort am Erscheinungstag auch eine entsprechende journalistische Würdigung erhielten.
    Damit gar nicht erst der Eindruck entsteht, „Die Zeit“ stünde hinter solcher Art Kampagnen.

  5.   weiterwursteln

    Eine überfällige Entscheidung die selbstverständlich zu begrüßen ist. Die überwiegende Anzahl der Demokraten sieht dies mit Sicherheit genauso. Sehr peinlich finde ich es dass bislang keiner der Geldgeber sich wirklich offiziell von dieser beschämenden Kampagne distanziert hat. Andererseits ist man es ja inzwischen von Konzernen wie VW gewöhnt, dass sie es mit Lügen nicht so genau nehmen. Mal schaltet man die Abgassteuerung aus und ein andermal eben die Argumente.

  6.   Bianka

    Vielen Dank! Das hört sich nach einem guten Schritt an . Mich hat diese Anzeige sehr irritiert. Mir machen diese Verbände der Industrie und Unternehmer mit ihren Einflussversuchen auch Angst. Ich wünsche mir, dass an diesem Beispiel vielen Menschen klarer wird wie verwoben das ist. Ich bin immer wieder erstaunt wieviel ich selbst von derlei Argumenten im Kopf habe. Ein Beispiel: mit erneuerbaren Energien können wir unseren Energiebedarf nicht decken. Bei einer Austellung hab ich eine erstaunliche Zahl gelesen: die Sonne strahlt an einem Tag so viel Energie aus, wie wir Menschen in ein Jahr verbrauchen. (Logisch dass wir das nicht alles einfangen können, weil’s auch im Meer landet und an anderen unzugänglichen Stellen) aber das hört sich ganz anders an, als immer wieder dieses Infragestellen, ob es überhaupt reichen könnte… wohl bemerkt ohne es wirklich versucht zu haben!

  7.   hspiess

    Die Ankündigung, dass politische Anzeigen zukünftig diskutiert werden, ist ein erster Schritt. Besser wäre es jedoch aus meiner Sicht, wenn die Anzeigenabteilung selbst genügend Sensibilität oder besser Urteilskraft besäße, Anzeigen, mit deutlicher Nähe zu politischen Hetzkampagnen, von sich aus abzulehnen. Der Zeit-Verlag sollte die Einnahmen aus der Anzeige einer Organisation zur Bekämfung des Anitisemitismus/Rassismus zur Verfügung stellen. Ein deutliches Wort der Entschuldigung wäre ebenfalls angebracht.
    Die Frage von @kamiyadori hatte ich mir auch gestellt und nicht sofort eine Antwort gefunden. Das Bild mutete „seltsam“ antisemitisch an aber warum? Mir war zunächst nicht klar wo die antisemitischen Ikonographie des Bildes begründet war. Ich denke es ist neben dem Bezug zu Moses und den Gesetzestafeln vor allem der Kaftan (!), in den man Annelena Baerbock geschichtsvergessen oder absichtlich montiert hat. (Vergl. z.B. Reinhard Engel, Die Fremden im Kaftan, 2018, http://www.wina-magazin.at)

  8.   BesorgterVater

    Danke. Eine gute Entscheidung.

  9.   E. Ritas

    Eine liberale Zeitschrift würde so eine Anzeige ohne Diskussion einfach drucken. Ihre Redakteure wüssten, sie hat kluge und gebildete Leser, die eigenständig denken können. Die zum einen den Hintergrund der Anzeige einordnen können und zum anderen sich eine politische Sichtweise nicht durch einen Artikel und eine Anzeige schon gar nicht oktroyieren lassen. Was interessiert es den liberalen Bildungsbürger, wenn sich die INSM an ihm reibt.

    Dass selbst das Flaggschiff des deutschen Liberalismus so unsouverän auf eine billige Anzeige reagiert, nur weil sie gegen die eigene Haus- und Hofpartei gerichtet ist, sagt einiges über die Medien dieses Landes aus. Und konterkariert sehr schön den nebenstehenden Artikel über die Meinungsfreiheit in Deutschland.

  10.   snopo

    Sorry, aber das ist ganz schwach!
    Zunächst einmal erscheint diese „Reaktion“ über eine Woche nach der betreffenden Anzeige. Und auch dass Anzeigenabteilung und Redaktion getrennt arbeiten, lasse ich nicht gelten, erst recht nicht, dass das „üblich“ ist!
    Gehört die Anzeigenabteilung nicht zur Zeit? Wird die Zeitung dort nicht gelesen? Selbst jedem Außenstehenden ist doch klar, dass man sich damit einen Ruf verspielt und nicht mehr ernst genommen werden kann. Es ist doch ein Unterschied, ob man für Klimaschutz wirbt und trotzdem eine Autowerbung schaltet, oder ob man jemand persönlich angreift, den man vorher noch in den Himmel gehoben hat. Und es wäre nicht schlimm gewesen, mal in der Redaktion nachzufragen oder selbst mal nachzudenken. Ich würde jedenfalls in meiner Firma gehörigen Ärger für so eine Anzeige bekommen.
    Aber da sie ja „getrennt arbeiten“, muss sich nicht mal jemand dafür entschuldigen…

 

Kommentare sind geschlossen.