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FC St. Pauli

Nur Punkrock ist auch langweilig

 

Der FC St. Pauli sucht einen Sonderweg zwischen Kommerzialisierung und eigener Identität. Der Musikmanager Oke Göttlich ist als neuer Präsident deshalb eine gute Wahl.

Die Einladung zur Vorstellung des neuen designierten Präsidenten des FC St. Pauli kam kurzfristig in mein Postfach geflattert, am Mittwoch um 11:00 Uhr sollte der zweite Teil des Stückes „Die aktuelle Situation im Präsidium des FC St. Pauli“ uraufgeführt werden. Neu im Ensemble ist der Favorit auf das Präsidentenamt: der Musikmanager Oke Göttlich, den ich aus gemeinsamen Projekten beim AFM-Radio kenne.

Eingeladen hatte diesmal der Aufsichtsrat, nachdem am Dienstag Noch-Präsident Stefan Orth emotional und knackig seine eigene Demission zu vermelden hatte. Eine Nachricht, die Hamburgs Fußballfans trotz WM-Fieber bewegt und die vor allem eines zeigt: Der Aufsichtsrat des FC St. Pauli sucht nach einem Integrator als Präsidenten, der die bisher so wesensfremden Bereiche des FC St. Pauli unter einer Idee zusammenschließen kann: Alte und neue Fans, Ultras, Profis, Amateure und viele mehr.

Aufsichtsrat des FC St. Pauli stellt neuen Präsidenten vor - ohne ihn zu präsentieren. Foto: Erik Hauth
Aufsichtsrat des FC St. Pauli stellt neuen Präsidenten vor – Oke Göttlich selbst war nicht anwesend. Foto: Erik Hauth

Die Mitglieder des FC St. Pauli sind gemeinhin konservativer, als man glauben mag; Die Veränderungen der letzten Jahre spüren sie intensiv beim Blick auf den Beton, der den magischen Rasen umschließt: Der Neubau des Stadions wird mit dem bevorstehenden Abriss der Nordkurve vollendet. Viele Fans erregt auch der Umbau der Mannschaft und der enorme Druck, den die fortschreitende Kommerzialisierung des Fußballs auf Vereine ausübt.

Nur, anders als beim HSV, wo großen sportlichen Erfolgen nachgetrauert wird, vermisst man am Millerntor eher das strukturell Widerspenstige, das kreativ Verändernde, das diesen Mythos einst begründet hat. „Quo Vadis St. Pauli?“, fragte vor ein paar Jahren eine Initiative rund um den Verein, als mit den Laufbändern eines Mobilfunkanbieters die Proteste der Sozialromantiker losgetreten wurden. „Zurück zu den Werten, die diesen Verein so besonders machen“ würde ich den Wunsch vieler Fans zusammenfassen.

Trotzdem blicken die meisten St. Pauli Anhänger sehr realistisch in die Welt und haben in den vergangenen Jahren oft klein beigegeben, wenn es die wirtschaftliche Situation erforderte. Etwa bei der Frage, ob im Millerntor-Stadion der Anteil von Business Seats so hoch sein muss wie nirgendwo sonst in der Republik.

Wer sich tiefer in den FC St. Pauli hineinbegibt, der findet also viele verschiedene Meinungen, lose Allianzen, handfeste Interessen und ein hochaktives Netzwerk von Menschen, das spontan erregbar ist (nicht nur beim Torjubel).

Der Aufsichtsrat hat das erkannt, wenn er nun als neuen Präsidenten einen Mann vorschlägt, der sich an der Schwelle von Indie und Mainstream bewährt hat. Den FC St. Pauli beschäftigt ein Dilemma, das Oke Göttlich auch aus der Musikindustrie kennt und emphatisches Management erfordert: Wie schafft man es, kommerziell erfolgreich und widerständig zugleich zu sein? Oder, wie Aufsichtsrat Schulz das ausdrückte: „Konkurrenzfähig zu bleiben mit unseren Werten“?

Aufsichtsrat Doll wagte dann sogar noch einen Vergleich mit dem FC Bayern München: Göttlich wäre der neue Pep Guardiola des FC St. Pauli. Das macht es für den neuen Präsidenten nicht leichter.

„Endlich jemand, der etwas von Musik versteht“, sagte mir gestern Willi M., mein Nebensteher auf der Gegengeraden, „und einer, der das Dilemma des FC St. Pauli kennt.“ Nur Punkrock ist auf die Dauer ja auch langweilig.