Von Rothenburgsort bis Billstedt: Der Hamburger Senat präsentiert seine Entwicklungspläne für die seit Jahrzehnten vernachlässigten Viertel im Osten der Stadt.
Nach dem „Sprung über die Elbe“ und dem neuen Innenstadtkonzept nehmen sich Hamburgs Stadtentwickler jetzt den Osten vor. Am Dienstag präsentierte der Senat erste Pläne für die Entwicklung des 44 Quadratkilometer großen Raums bis hin nach Billstedt. Dabei überraschte die Geschwindigkeit, mit dem die Stadt die Entwicklung im Osten vorantreiben will. Auch wenn man nicht vorhersagen könne, wie schnell die geplanten Vorhaben tatsächlich umgesetzt würden, sei ein Zeitrahmen von etwa zehn Jahren denkbar, erklärte Bürgermeister Olaf Scholz. Beginnen soll der Entwicklungsprozess bereits Ende des Jahres.
Ganz oben auf der Liste der Senatspläne steht dabei erneut der Bau von Wohnraum: 15.000 bis 20.000 neue Wohnungen könnten hier entstehen, so Scholz. Und: die Idee der funktional getrennten Stadt sei eine falsche Vorstellung gewesen, Wohnen, Gewerbe und Industrie müssten wieder näher zusammenrücken. Die Pläne des Senats sehen dazu auch die Ansiedlung von neuem Gewerbe und neuen Industriebetrieben vor.
Neben Sanierungen und Neubauten von Gebäuden soll im Osten das Verkehrsnetz mit Schwerpunkt auf Fußgänger und Radfahrer ausgebaut werden, neue Bahnverbindungen zu den Elbbrücken oder in die Horner Geest würden erstellt. Beginnen soll dieser Prozess im Hauptbahnhof-nahen Rothenburgsort und zwar unmittelbar im Anschluss an die HafenCity, die Anfang der 2020er Jahre fertiggestellt sein soll. „Wir müssen jetzt langfristig planen, damit sich hier keine unkontrollierte Dynamik entfaltet“, sagt Scholz.
Eine der ersten konkreten Maßnahmen der Stadtteilentwicklung im Osten ist der Bau des Opernfundus in Rothenburgsort und die damit verbundene Entwicklung des ehemaligen Huckepackbahnhofes. Hier liege laut Oberbaudirektor Jörn Walter ein großes Potenzial für die Ansiedlung von Gewerbe. Der erste Spatenstich für den Opernfundus ist bereits für 2015 geplant. Um die Bürger am Entwicklungsprozess zu beteiligen, ist für Ende 2014 eine Stadtteilwerkstatt geplant, in der die Pläne bewertet und eigene Vorschläge eingebracht werden können. „Wir wollen möglichst schnell in die Umsetzung gehen, dafür bedarf es eines größeren Beteiligungsverfahrens“, sagt Walter. Manches werde bereits im Rahmen der bisherigen Stadtteilentwicklung in den Quartieren diskutiert. Walter nennt als Beispiele den Bau des Stadtteilzentrums Horner Freiheit oder des naturwissenschaftlichen MINTariums in Mümmelmannsberg. Für Bürgermeister Scholz ist dabei nichts in Stein gemeißelt: „Es kann gar nicht anders sein, als dass sich die Pläne noch ändern. Das ist ja der Sinn eines Beteiligungsverfahrens.“
Unabhängig davon bleibe es das erklärte Ziel der Stadt, das teils schlechte Image der Stadtteile im Hamburger Osten zu verbessern: „Dafür werden wir die vorhandene Schönheit aus den Stadtteilen herauskitzeln“, sagte Walter. Der Befürchtung, dass diese Veränderungen auch zur Verdrängung von sozial schwachen Einwohnern führen könnten, widersprach Bezirksamtsleiter Andy Grote. An ein zweites St. Pauli oder St. Georg glaubt er nicht: „Eine unmittelbare Aufwertung und Gentrifizierung in Billstedt und Horn ist aber nicht zu befürchten“, Der Aufwertungsprozess bewege sich von Westen nach Osten, man habe daher in Hamm bereits ein sogenanntes Strukturmonitoring begonnen, um derartige Tendenzen rechtzeitig zu erkennen und handeln zu können. Unter diesem etwas sperrigen Begriff verstehen die Stadtentwickler die Erfassung der sozialen und städtebaulichen Zusammensetzung eines Stadtteils.
Falls notwendig, werde man das Strukturmonitoring auf den gesamten Hamburger Osten ausweiten. Ob dies notwendig ist, könnte sich schon bald zeigen. Denn obwohl der „Sprung nach Osten“ offiziell erst begonnen werden soll, verändern sich Stadtteile wie Hamm, Horn und Billstedt bereits jetzt.