Immer wenn St. Pauli schlecht spielt, rufen Fans nach ihrem Ex-Trainer Holger Stanislawski — so wie jetzt gerade. Bei Blogger Erik Hauth löst das Albträume aus.
In letzter Zeit habe ich immer wieder einen Traum: Ich schaue mich um und merke, dass sich um mich herum alle Menschen sehr freuen, einer rennt sogar nackt über die Reeperbahn. Alle außer mir. Ich sitze in meinem Traum da und fange an, still zu schreien: „Nein, holt nicht Stani zurück!“ Dann wache ich immer auf.
Angefangen hat das mit meinen Albträumen mit dem Abgang von Michael Frontzeck, einem der Nachfolger von Holger Stanislawski, dem langjährigen Spieler und Trainer des Kiezclubs. Stani war nach Hoffenheim gegangen. Wirklich übel hatte ihm das zu Hause kaum jemand genommen: Kaum war Frontzeck entlassen, riefen viele St.-Paulianer nach ihm. Es dauerte nicht eine Schamsekunde lang.
„Stani, komm zurück“, flehte es leise im Umfeld meines Vereins. Und meine Albträume begannen. Zu frisch waren die Erinnerungen an den schmollenden Abgang der Kiezlegende. Das kann ich nicht vergessen. Die Rufe nach dem St.-Pauli-Urgestein und dem vermeintlichen Trainerstar verhallten seitdem nie ganz.
Der neue Coach, Roland Vrabec, ackert seit Jahresbeginn mürrisch daran, aus einer talentierten Truppe ein Team zu formen. Leider mit unstetem Erfolg. Deswegen reichen Kleinigkeiten, um bei mir Einschlafstörungen zu verursachen — aus Angst, dass das Träumen wieder losgeht.
Besonders heftig war es im Mai: André Trulsen meldete sich in der Mopo zu Wort. Er war Stanis rechte Hand, erst auf St. Pauli, dann in Hoffenheim und später in Köln. „Wir sind in der Warteschleife. Aber vor September, Oktober wird sich vermutlich nichts tun“, sagte er der Boulevardzeitung. Das hat eine intensive Traumphase bei mir ausgelöst.
In meinen Träumen muss ich manchmal Stanis Pressekonferenzen organisieren, es wirkt ganz logisch, dass ich das tue. Die Mannschaft befindet sich kurz vorm Abstieg in Liga drei und der zurückgeholte Trainer wirft „dem einen oder anderen“ vor, hinterrücks ihn und seine Mannschaft infrage zu stellen. Da ist sie wieder, seine schallplattenartige Sprechweise. Man müsse sich nun „endlich mal belohnen“, sagt Stani weiter. Der Teammanager schlägt währenddessen die ganze Zeit wild auf einen „Reset-Knopf“ ein.
Ende Juni endlich dachte ich, es wäre vorbei mit den Albträumen. Da verkündete Holger Stanislawski, dass er gemeinsam mit dem Ex-HSV-Fußballer Alexander Laas einen Supermarkt in Winterhude übernommen habe. Was für eine Erleichterung. Wenn er zwischen Regalen und Käsetheke hin und her rennen muss, kommt er nicht mehr für einen Job an der Seitenlinie infrage, dachte ich.
Dann begann die neue Saison. Und schon beim ersten Spiel, beim „Schietspiel“ gegen Ingolstadt, drehte sich Willi M. im Stadion zu mir um und fragte: „Wer übernimmt denn jetzt den Supermarkt, wenn Stani wieder bei uns Trainer ist?“ Mir wurde schwarz vor Augen. Kurz bevor ich erwachte, strich mir Holger Stanislawski zärtlich das Einlauf-Konfetti aus dem Haar und sagte sanft: „Wunder lassen sich nicht wiederholen.“
Willi M. erzählte mir, dass ich gelächelt hätte, als ich zu mir kam.