Wir könnten jubeln. Ein Unentschieden gegen die beste Rückrundenmannschaft der zweiten Liga! Aber: Den meisten St. Pauli-Fans ist nach dem Spiel gegen den FSV Frankfurt nicht danach zumute. In den Diskussionen taucht ein Wort immer wieder auf: schade.
Schade, dass die Mannschaft an die glanzvolle Leistung gegen Eintracht Braunschweig nicht anknüpfen konnte. Schade, dass sich Licht und Schatten beim FC St. Pauli am vergangenen Samstag am Millerntor so ausgeglichen gegenüberstanden. Schade, dass nicht mehr drin war als ein 1:1.
Besonders deutlich wurde das Dilemma am Mittelfeld-Talent Sebastian Maier. Gegen tief stehende Frankfurter spielte er in der ersten Halbzeit äußerst unkonzentriert. Zu Beginn der zweiten 45 Spielminuten dann kombinierte er sich überfallartig gen Strafraum und passte sehenswert auf den agilen Kalla, der sich endlich einmal erfolgreich bis zur Grundlinie durchbiss und zielgenau auf Lennart Thy weitergab. Dieser drehte sich elegant um seinen Gegenspieler und vollendete: das 1:0 in der 46. Minute. Endlich konnte St. Pauli wieder zum Song2 der britischen Popband Blur jubeln, der so selten gewordenen Torhymne am Millerntor.
Kurz schien es so, als seien die Boys in Brown nun erwacht. Sie erspielten sich mehrere Möglichkeiten, um das 2:0 zu erzielen. Dann aber kam die 58. Spielminute: Erwähnter Pechvogel Sebastian Maier köpfte im eigenen Sechszehner völlig unbedrängt an den eigenen Fünfmeterraum und lieferte damit eine mustergültige Vorlage für den FSV-Stürmer Joni Kauko: der Ausgleich. Schade. Der Fußballgott hatte sich wieder einmal für den Slapstick als Spiel-wendendes Element entschieden. Das ganze Stadion vergrub das Gesicht in beide Hände, solidarisch mit Maier, dem armen Tropf auf dem Platz.
Ewald Lienen und Benno Möhlmann, die über 60 Jahre alten Trainer-Urgesteine der zweiten Bundesliga, taktierten nun ein wenig. Möhlmann wechselte auf FSV-Seite die Spielzerstörer Gollei und Roschy ein. Lienen erlöste erst den ebenfalls vom Pech verfolgten Stürmer Chris Nöthe, dann den armen Sebastian Maier. Dafür schickte er John Verhoek und Enis Alushi auf den Platz.
Das Ergebnis der Rochaden: Beiden Mannschaften hatten in der Schlussphase den Lucky Punch auf dem Kopf. St. Paulis Sören Gonther köpfte in der 86. Minute aus zwei Metern in die Arme von Torhüter Patric Klandt. Auf der anderen Seite parierte Robin Himmelmann stark gegen den eingewechselten Frankfurter Knipser Edmond Kapllani.
Es blieb beim Unentschieden. St. Pauli hat wenig erreicht, um aus dem Schatten der Abstiegsbedrohung zu treten, gleichzeitig kann der Verein aber auch froh sein, gegen starke Frankfurter zeitweise eine starke Leistung gezeigt zu haben. Wenn die Mannschaft nach vorne verteidigt, fällt es auch Top-Mannschaften schwer, gegen den FC ein Tor zu schießen. Allerdings braucht der FC St. Pauli selbst zu viele Anläufe, um gefährlich zu werden. In der gegnerischen Hälfte spielt Ewald Lienens Team zu inkonsequent. Wenn es daran nicht sehr schnell arbeitet, steht zu befürchten, dass sich am Ende der Saison der FC St. Pauli mit einem leisen „schade“ aus dem bezahlten Fußball verabschiedet.
Für Anna, meine stets meckernde Begleiterin im Stadion, war Marc Rzatkowsky der Spieler des Spiels, der unermüdlich kämpfende Duracell-Hase des FC St. Pauli. „Geile Ratsche“ ist in unserem Teil der Gegengeraden am Wochenende zum Inbegriff für tollen und fairen Kampffußball geworden.