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Kommentar Schulterkameras

Film ab

 

Polizisten schalten in heiklen Situationen eine Schulterkamera an: Es gibt viel, was für diese Idee spricht. Harmlos ist sie deshalb noch lange nicht.

Es mag nun seltsam erscheinen, da Geheimdienste unsere E-Mails scannen und Bürger ihre Ein- und Ausfälle bei Facebook zur Schau stellen, dass man über Schulterkameras für Polizisten noch streitet. Kleine Geräte, die kurze, aber möglicherweise heikle Begegnungen zwischen Hoheitsträgern und Bürgern dokumentieren – was, bitte schön, spricht dagegen? In Hessen, heißt es, habe sich die Technik bewährt, in Hamburg wird sie jetzt ausprobiert – na und?

Aber wenn schon die Verteidigung eines Grundrechts fast anachronistisch wirkt, dann muss man fragen, was mit der Zeit und ihren Diskursen nicht stimmt. Was andere von mir wissen dürfen, entscheide grundsätzlich ich selbst: Das ist in Deutschland ein Grundrecht, und, gemessen an diesem Recht auf informationelle Selbstbestimmung, ist es zumindest begründungsbedürftig, dass Polizisten in brenzligen Situationen ungefragt Bilder und Filme unbescholtener Bürger anfertigen und speichern.

Man kann einen Schritt weiter gehen: Bislang war es eine unbewiesene Behauptung, dass schon das Bewusstsein, überwacht zu werden, die Handlungsfreiheit der Betroffenen einschränke. Nun ist dies das erklärte Ziel: Es geht ja nicht in erster Linie darum, Beweismaterial zu sichern. Für die Schulterkameras spricht vor allem die Erfahrung, dass es seltener zu Übergriffen gegen Beamte kommt, wenn sie diese Geräte einsetzen. Natürlich hat niemand das Recht, Polizisten anzupöbeln. Aber der Bürger darf einem Beamten die Meinung sagen, auch deutlich, und wenn er davor zurückschreckt, und sei es aus übertriebener Furcht, ist das ein Freiheitsverlust.

Diesem Verlust steht allerdings ein Gewinn gegenüber. Die tägliche Arbeit von Polizisten ist nicht selten eine Abfolge von Zumutungen, und wenn der Gesetzgeber sie durch einen maßvollen Eingriff lindern kann, sollte er es tun.

Und: Auch Polizisten verletzen gelegentlich Gesetze, was ihnen dann oft kaum nachzuweisen ist. Schulterkameras verhindern das nicht, aber sie erschweren es und erleichtern im Zweifel die Aufklärung. All das spricht noch nicht ohne Einschränkungen für die neue Technik. Aber es spricht dafür, sie zu erproben – und im Zweifel wieder abzuschaffen.