Lesezeichen
‹ Alle Einträge
Hamburger Tatsachen

Das Schicksal einer Hamburger Ratte

 

Sie haben sich für Hamburg bislang nicht interessiert? Jetzt sollten sie, denn nun gibt es die Kolumne „Hamburger Tatsachen“.

Neulich lief eine Ratte über den Sandtorkai, wo sie gar nicht hätte sein dürfen, ja, wo sie absolut kein Existenzrecht hat, seit die Hafencity zum Schmuckkästchen Hamburgs ausgebaut wurde. Und darum wurde die Ratte auch verfolgt, von einem Mann, der sich gerade für viel Geld in eines der neuen Häuser der Hafencity eingekauft hatte und verständlicherweise wütend war über diese wertmindernde Erscheinung.

Die Ratte tat, erschrocken wie sie war, was Ratten unter normalen Umstände nicht tun. Sie versuchte flüchtend Haken zu schlagen. Das hatte sie sich von den Kaninchen abgeguckt, die es in der Hafencity zwar nicht gibt, aber wahrscheinlich hatte die Ratte von der Art wie Kaninchen flüchten von einem Kollegen erfahren, der am Isebekkanal ein prächtiges Leben führt. Mitten im schicken Eppendorf gibt es Kaninchen und Ratten zuhauf, weil es hier nun einmal genug für alle gibt, für Mensch und Tier gleichermaßen.

Die Ratte also lief den breiten Bürgersteig des Sandtorkais entlang, ungeschickt Haken schlagend, und kurz bevor sie in einen rettenden Kanal springen konnte, erfasste sie eine Windböe. Die Ratte flog in die Höhe als wäre sie eine Fledermaus, was sie in Wirklichkeit nicht ist, und daher knallte sie nach wenigen Sekunden abenteuerlichen Fluges auch gegen eine der gläsernen Fensterfassaden, auf die man in der Hafencity so stolz ist. Die Ratte konnte nicht wissen, dass diese Fassaden die Eigenschaft haben, den Wind, der hier ohnehin immer stark weht, zu beschleunigen.

Erzählt hat die Geschichte der Fensterputzer, der die Überreste der Ratte von der Glasfassade kratzen musste. Er kommt übrigens aus Wilhelmsburg, wo die Straßen weniger stürmisch sind.