Im Gedränge um Neonwesten: Kabarettist Jasper Diedrichsen hat in einem Gedicht festgehalten, wie Flüchtlinge bis vor Kurzem am Hamburger Hauptbahnhof empfangen wurden.
AM HAUPTBAHNHOF
Ich steh am späten Nachmittag
Im gelb umzäunten Raucherbereich:
Wie vom Pentagramm gebannt
In eine räucherige Bannmeile
Tiefstehendes Licht lehnt sich über mich und bricht in
Armdicken Spannseilen
Die wie Spinnweben – nur nicht so dünn eben
Über mich hinschweben
Verästeltes Mastengewirre
In dem sich erst kürzlich ein Zeppelin verirrte
Jetzt die Tropfen des Oktobers
Ich habe schon viel von gelben Engeln gehört
Und nie einen gesehen
Aber jetzt leuchten hier Neonwesten wie gute Vorbilder
Durch den Herbstnachmittag
Mehr und mehr Menschen mengen sich
Drängen sich auf dem Bahnsteig
Mehr als ich es je gesehen habe
So viele Leute wollten noch nie mit dem Regionalexpress nach Flensburg…
Im Zug stehen wir uns dann gegenseitig auf den Pfoten
Und da wird mir von Menschen ein Platz angeboten
Die seit Tagen unterwegs sind, in Zügen und Booten
Die diesen Namen nicht verdienen
Und Ihnen:
Jenen Deutschen und denen Dänen, die jetzt laut tönen
„Das Boot ist voll!“
Kann ich nur sagen:
Wir haben von vollen Booten keine Ahnung
Ich wünsche mir mehr Demut.