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Blankenese

Ihr seid doch selbst Zugezogene!

 

Autor Erik Hauth fürchtet um den Ruf seines Viertels. Er fragt sich, warum ausgerechnet Neu-Blankeneser die Holzhütten für Flüchtlinge verhindern wollen.

Den Bjoernsonweg in Blankenese kannte bis zu dieser Woche in Hamburg kein Schwein. Nun aber haben Anwohner mit ihren schräg geparkten SUVs und juristischem Einspruch verhindert, dass dort 42 Bäume gefällt werden, die für den Bau von Holzhütten für 192 Geflüchtete weichen sollten. Sie haben damit diesen Teil des exklusiven Fischerdorfes in den öffentlichen Fokus manövriert. Als Sinnbild für reiche Bürger Hamburgs, die sich in Sonntagsreden gern weltoffen geben – wenn es um ihre eigene kleine Welt geht aber die Gerichte bemühen und unverhohlen fremdenfeindlich agieren.

Zu Ostern hatte ich noch die Widerständigkeit der Blankeneser gefeiert, als sie sich kreativ gegen die Unmöglichmachung der Osterfeuer am Elbstrand wehrten. In diesen Tagen erleben wir die Kehrseite dieser Streitlust, die auf dem Rücken derer ausgetragen wird, die Schutz suchend zu uns kommen.

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„Szeneviertel Blankenese“-Graffiti im Hamburger Schanzenviertel. Foto: Erik Hauth

Dabei sind die Bewohner der neuen Siedlung am Bjoernsonweg oft selbst sogenannte Zugezogene. So nennen Blankeneser die Menschen, die neu in das beschauliche Gemeinwesen an der Elbe ziehen. Blankeneser sind seit jeher ausgestattet mit einer ordentlichen Portion Skepsis und Argwohn – und haben schon immer dementsprechend auf die Zugezogenen geschaut. Kein schöner Wesenszug. Es könnten damit zu tun haben, dass Blankenese in alten Zeiten ein Fischerdorf am Hang war, das umgeben war von Bauerndörfern, Rissen, Sülldorf oder Nienstedten beispielsweise. Denen traute man einfach nicht.

In jüngster Vergangenheit jedoch hat der Zuzug von wohlhabenden Leuten aus Hamburg und anderen Gegenden das Bild von Blankenese radikal verändert. Auch ein Grund, warum viele der Alteingesessenen die Ansiedlung von Geflüchteten begrüßen: Dann werden sie mit den Pfeffersäcken nicht ganz allein gelassen.

Jetzt fürchten sie um den Ruf ihres „Dorfes“, und da ergeht es ihnen wie ihren Pendants in Sachsen oder Mecklenburg. „Die interessieren sich kein Stück für seltene Bäume und Pflanzen. Die haben ihre Hütten für viel zu viel Geld gekauft und fürchten, dass sie bald nur noch die Hälfte wert sind. Darum geht’s“, sagte zum Beispiel ein Anwohner gegenüber der Mopo. „Am liebsten würde ich in diese Straße fahren und den Anwohnern sagen, was für Vollidioten sie sind!“

Das sollten wir tun. Die Protestfahrt der Interventionistischen Linken nach Blankenese, die symbolhaft eine Kettensäge an eine Birke legte, war doch schon ein gutes Zeichen. Wichtig ist, dass sich die alteingesessenen Blankeneser diesem Widerstand anschließen.

Die Einsprüche und juristischen Winkelzüge werden das Bauvorhaben voraussichtlich nur verzögern, irgendwann werden die knapp 200 neuen Blankeneser hinzuziehen. Dann wäre es von Vorteil, wenn sich bessere Zeichen aus Blankenese vernehmen lassen, als die verheerenden, die die Zugezogenen aus dem Bjoernsonweg diese Woche gesendet haben.