Den etablierten Parteien in Hamburg fehlt ein Konsens über den richtigen Umgang mit der AfD. Das spielt den Populisten in die Hände.
Seit je bestimmen manche Linksradikale die Grenzen der Meinungsfreiheit für ihre politischen Gegner gerne selbst. Bewährt hat sich das Argumentationsmuster »X ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen«, wobei X für Rassismus, Faschismus, Sexismus oder andere Ismen steht. Mit der Beweisführung hält man sich nicht lange auf, Ermittlung, Urteilsfindung und Strafvollzug liegen in einer Hand, und das Strafmaß ergibt sich aus den Umständen, also der Erreichbarkeit von Büros, Wohnungen, Infoständen oder Autos.
Gerade hat es eine Politikerin der AfD getroffen, die mit Foto und Wohnadresse auf Plakaten in Wilhelmsburg auftauchte, Wegweiser für jeden, der sich berufen fühlt, im Namen der zuständigen Anti-X-Bewegung das fragliche Gesinnungsverbrechen zu ahnden. Das Ganze ist so trivial wie abstoßend, Vertreter sämtlicher Parteien fanden schnell treffende Formulierungen, und man könnte es nun auf sich beruhen lassen – wenn es so etwas wie einen demokratischen Konsens über den richtigen Umgang mit den Politikern der AfD gäbe.
Den gibt es aber nicht. Über normale Umgangsformen kann man sich verständigen, diese helfen aber wenig, wenn es um politische Anträge geht, die man wahlweise ablehnen, debattieren oder in Ausschüsse überweisen kann. Wiederum anders liegt der Fall bei öffentlichen Ämtern, etwa der Härtefallkommission der Bürgerschaft, die im Fall abgelehnter Asylanträge noch eine Abschiebung verhindern kann.
Nun ist die Frage des richtigen Umgangs in diesen Fällen keine moralische, sondern eine der politischen Klugheit. Die AfD und ihre Anhänger leben von dem Gefühl, Opfer einer wirklichkeitsblinden Mehrheitsgesellschaft zu sein. Diesem Mythos muss man nicht ohne Not Nahrung verschaffen, weshalb die kollektive Weigerung der Bürgerschaftsmehrheit, einen Vertreter der AfD in die fragliche Kommission zu wählen, kaum zu verstehen ist.
Aus demselben Grund ist es wenig sinnvoll, auf Tabuverletzungen durch AfD-Redner einzugehen. Reden, die nur gehalten werden, um ungehaltene Reaktionen zu provozieren, verdienen keine Aufmerksamkeit. Bleibt das Feld der sachlichen Auseinandersetzung. Ein Argument wird nicht dadurch schlecht, dass es von einem AfD-Politiker vorgetragen wird. Und schon als gewählte Vertreter von Bürgern haben sie Anspruch auf Antworten. Politik- und Politikerverachtung sollte eine Domäne der AfD bleiben, und natürlich der radikalen Linken, die ihren Widersachern in diesem Punkt erstaunlich ähnlich sehen.