Ein politischer Paukenschlag. Die Justiz weist den Staatsanwälten eine neue Rolle zu.
Selten hat eine tief greifende Reform – zudem in einer Behörde, die im Fokus öffentlicher Aufmerksamkeit steht – so wenig Aufsehen hervorgerufen wie die jüngsten Änderungen bei der Hamburger Staatsanwaltschaft. Aus Weisungsempfängern, die im Gerichtssaal wenig zu sagen haben außer dem, was Vorgesetzte ihnen auftragen, werden autonome Juristen mit eigenem Urteil, wie es Richter auch sind. Ein solcher Kulturwandel ist ein justizpolitischer Paukenschlag. Seltsamerweise ist er weitgehend ungehört verhallt, weil eine triviale Nachricht, nämlich die Einstellung zusätzlicher Polizisten und Staatsanwälte, die gesamte öffentliche Aufmerksamkeit beansprucht, die das Land für Fragen der inneren Sicherheit aufbringen kann.
Natürlich sind 300 neue Polizisten und zwölf neue Jobs bei der Staatsanwaltschaft eine wichtige Nachricht, diese Einstellungsoffensive ist allerdings auch vollkommen unumstritten. Mehr vom Gleichen aber gibt es darum nicht – sondern etwas Neues: Staatsanwälte, die mitreden und mitdenken und dazu auch ausdrücklich aufgefordert sind. Und eine Behördenleitung, die ihren Untergebenen nicht nur Anweisungen übermittelt, sondern gehalten ist, mit ihnen zu sprechen, ehe sie sich ein Urteil bildet.
Klingt selbstverständlich? War aber bis vor Kurzem hoch umstritten. »Reorganisation und Modernisierung der Staatsanwaltschaften«: Unter diesem Titel hatte eine Expertengruppe seit 2013 Reformvorschläge erarbeitet, denen jahrelang wenig folgte. Der Grüne Till Steffen, seit Anfang 2015 zum zweiten Mal Justizsenator, gibt der Reformbewegung nun Gelegenheit, ihre Vorschläge umzusetzen.
Es ist auch höchste Zeit. Die Staatsanwaltschaft, so steht es in deprimierender Deutlichkeit in dem Bericht zur neuen Arbeitsweise, verfüge »derzeit weder über eine angemessene Personal- noch Sachausstattung« und könne »ihre gesetzlichen Aufgaben somit in vielen Bereichen nicht hinreichend erfüllen«.
Die neuen Stellen werden helfen, ebenso der Umstand, dass die Ankläger nun weniger Zeit für das interne Berichtswesen aufbringen müssen. Der justizpolitische Fortschritt ist auch einer Notlage geschuldet.