Im Hamburger Streit um Tempo 30 geht es vor allem darum, wer unter dem Straßenverkehr leiden soll – und wer nicht. Zeit für einen Versuch an der Außenalster!
Schön wäre es, man könnte die jüngste durch die Grünen angeregte Debatte um Tempo 30 auf besonders lauten Straßen durch einen Großversuch begleiten: zurück zu Tempo 50! Anbieten würden sich Villengegenden um die Außenalster, auch der Leinpfad wäre günstig, wo die CDU ihren Sitz hat, nebenan in Eppendorf fänden sich ebenfalls geeignete Teststrecken. Betroffen wären Straßen, die in der euphemistischen Sprache der Hamburger Verkehrspolitik »Wohnstraßen« heißen. Schon seit Jahrzehnten haben ihre Bewohner Anspruch auf Nachtruhe und Tempo 30 vor ihren Häusern – im Gegensatz zu jener Spezies, deren Dasein an stark befahrenen Hauptstraßen die Bezeichnung Wohnen offenbar nicht verdient, weshalb Grenzwerte für Lärm und Abgase dort nur theoretisch gelten.
Für den Straßenverkehr wäre mit dem Versuch nicht viel gewonnen, wohl aber für die Debatte. Ginge es um eine Klientel, die ihre Interessen vor Gericht und in der Öffentlichkeit zu vertreten weiß, müssten sich die Teilnehmer des Streits zwingen, ernst gemeinte und sorgfältig geprüfte Argumente vorzubringen. Kaum vorstellbar, dass die CDU dann noch, wie zuletzt, auf der kühnen Behauptung bestehen würde, Tempo 30 führe zu mehr Verkehrslärm – unter Verweis auf eine Untersuchung, die sich mit dieser Frage überhaupt nicht beschäftigt.
Tempo 30 macht die Straßen sicherer und leiser, leistet allerdings keinen nennenswerten Beitrag zur Verminderung giftiger Abgase – wenigstens das sollte allen Teilnehmern der Debatte klar sein. Dann könnte man über vertretbare und unvertretbare Zumutungen sprechen.
Und über die Gründe dafür. Wer sich beim ADAC nach Argumenten für Tempo 50 erkundigt, wird überraschenderweise nicht etwa auf die Leistungsfähigkeit des Straßennetzes verwiesen – die bliebe auch bei einer geringeren Höchstgeschwindigkeit erhalten. Was verloren ginge, wäre vielmehr die Unterscheidung von »Wohnstraßen« und »Hauptverkehrsstraßen«. Sie aber ist der eigentliche Zweck der zweigeteilten Geschwindigkeitsregelung: Tempo 50 bündelt den Verkehr dort, wo nur eine Minderheit darunter leidet. Mit Gründen lässt sich eine solche Politik kaum vertreten, mehrheitsfähig ist sie leider trotzdem.