Der IS hat sich zu einem ungelösten Mordfall an einem Hamburger Teenager bekannt. Ein Kontext ist möglich, es bleiben aber viele Ungereimtheiten.
Die Tat war grausam und beängstigend. Nach bisherigen Kenntnissen hat ein junger Mann vor rund zwei Wochen mitten in Hamburg einen Teenager getötet. Einfach so. Abends um zehn, an der Alster, hinterrücks mit einem Messer erstochen. Der Fall ist bis heute ungelöst.
Vielleicht war es eine Verwechslung. Es könnte aber auch sein, dass der Täter ein wahllos mordender Mann ist. So etwas löst Verunsicherung und Ängste aus, besonders bei Menschen mit Kindern – das Opfer war erst 16 Jahre alt.
Weil nach einer Zeugenaussage der Täter südländischen Aussehens gewesen sein soll, wurde der Fall schnell von Rechtspopulisten aufgegriffen. Auf die Idee, dass die Tat irgendetwas mit dem „Islamischen Staat“ (IS) zu tun haben sollte, konnte man erst auf den zweiten Blick kommen: Die Ideologen der Terrororganisation fordern ihre Anhänger dazu auf, im Westen wahllos zu töten. Ihr Ziel ist es, Bürger in Angst zu versetzen und einen Keil zwischen Muslime und Nicht-Muslime zu treiben.
Wenig hatte auf einen islamistischen Hintergrund der Hamburger Tat hingewiesen, bis heute. Doch nun hat das IS-Propagandamedium Amak etwas auf seiner Website veröffentlicht, das auf die Tat in Hamburg Bezug nimmt. Das sorgt für große Aufregung, nicht nur in der Hansestadt.
Die Nachricht kam mit zwei Wochen Verspätung, was allein schon seltsam ist. Warum sollte der IS nicht sofort verkünden, wenn er zu einem Attentat angestiftet hat? Meist verkünden sie so etwas innerhalb von 48 Stunden nach der Tat. Hinzu kommt, dass die zunächst auf Arabisch und Englisch verbreitete Nachricht so formuliert war, dass offen blieb, ob die angeblichen Opfer verletzt oder getötet wurden. Und es war von zwei Opfern die Rede, obwohl ja nur der Junge getötet wurde. Die Autoren wissen also offenbar weniger als die Hamburger Polizei. Das deutet darauf hin, dass der Täter und der IS keinen Kontakt haben.
Skeptisch muss einen der Zeitpunkt der Nachricht auch machen, weil am vergangenen Donnerstag und Freitag über den Fall berichtet wurde. Nicht nur in Hamburg. Anlass war, dass Ermittler versuchten, den Tathergang an der Alster zu rekonstruieren. Kann es sein, dass die IS-Anhänger erst dadurch aufmerksam wurden und ihr diffuses Bekennerschreiben verfassten?
Eine weitere Merkwürdigkeit: Einem IS-Attentäter geht es um größtmögliche Aufmerksamkeit, um viele Tote und um grausame Taten, heißt es nach ihren bisherigen Attentaten. Nur: Wenn in Hamburg ein IS-Attentäter den Jungen ermordet haben soll, warum hat er dann das Mädchen ins Wasser geschubst? In der IS-Logik hätte er sie ebenfalls ermorden müssen.
Am Ende könnte der IS schlicht versuchen, den Fall für sich zu nutzen, weil ihm die Art und Weise der Tat und die bisher vorliegenden vagen Zeugenbeschreibung des Mörders – ein Mann südländischen Aussehens im Alter zwischen 23 und 25 Jahren – in die Karten spielen.
Egal wie man es dreht und wendet: Die IS-Ideologen haben ihr Ziel erreicht. Sie haben Aufregung und Verwirrung erzeugt. Ihre Propaganda funktioniert noch, trotz der massiven Verluste, die sie im Irak und Syrien hinnehmen müssen.
Und man muss auch damit rechnen, dass die Tat am Ende eben doch in einem IS-Kontext steht, trotz aller Ungereimtheiten. Experten sagen, das IS-Sprachrohr Amak habe schon lange keine Fälle mehr für sich reklamiert, mit denen der IS nichts zu tun hatte. Das würde ihre Glaubwürdigkeit beschädigen. Und grundsätzlich bleibt die Bedrohungslage durch islamistischen Terror im Land und somit auch in Hamburg unverändert hoch, sagen Deutschlands Verfassungsschützer.
Zum Glück reagiert man in Hamburg gelassen. Trotz der vermeintlich Bekennerbotschaft bleiben die Ermittlungen zum tödlichen Überfall bei der Hamburger Mordkommission. Durch den IS-Kontext ist allerdings jetzt der Staatsschutz beteiligt.