Im Westwerk auf der Fleetinsel zeigen japanische Künstler, wie sie Hamburg wahrnehmen – und suchen mit den Besuchern nach kulturellen Parallelen.
Nur wenige Schritte vom Fleetinsel-Weihnachtsmarkt entfernt gelangt man durch ein großes Holztor in eine geheimnisvolle Welt. Heraus aus dem Glühweindunst, hinein in den Kunstraum Westwerk in der Admiralitätsstraße. Nach einer freundlichen Begrüßung steht man in einem weiß gestrichenen Raum, ausgestattet mit mysteriösen Objekten wie einer Holzmaschine mit Wärmelampe oder einer Art Labor aus Glasfläschchen.
Eine Gruppe japanischer Künstler lädt zur Ausstellung Lifestyles ins Westwerk. Sie stammen aus der Hafenstadt Fukuoka im Süden Japans. Mit 1,6 Millionen Einwohnern ist die Metropole nicht nur fast so groß wie Hamburg, sie hat mit ihr eine weitere Eigenschaft gemeinsam: Ihre lebendige Kunstszene muss sich gegen die aus der Hauptstadt Tokio durchsetzen, ein Schicksal, das Hamburger Kunstschaffende mit Blick auf Berlin gut kennen. Dass die Organisatorin der Ausstellung, Naho Kawabe, das künstlerische Leben ihrer Heimatstadt mit dem in Hamburg verknüpfen möchte, erscheint daher nur folgerichtig.
Was Kawabe unter einem Austausch versteht, wird bei der Ausstellungseröffnung am 3. Dezember deutlich: Die Kunstwerke sprechen nicht für sich, die Menschen hinter ihnen sollen in einen Dialog treten. Die aus Fukuoka stammende, aber seit 15 Jahren in Hamburg lebende Kawabe und ihre Kollegen beantworten geduldig Fragen und freuen sich, die Geschichten hinter ihren Arbeiten zu erklären. Mit einem Wein oder einem Bier in der Hand entfalten sich Gespräche auf Deutsch, Englisch, Japanisch und mit Händen und Füßen.
Ausstellungsbesucher brauchen sich auch ohne Kunstexpertise nicht verloren zu fühlen, die Vermittlungsarbeit übernehmen die Künstler selbst. Und neben dem intellektuellen Zugang kümmern sie sich auch ums leibliche Wohl: Im Hinterraum gibt es gegen eine kleine Spende japanische Takoyaki, traditionelle Teigbällchen, die mit Gemüse und Tintenfisch gefüllt sind und auf einer Art Waffeleisen zubereitet werden.
Da die Kunstwerke extra für die Ausstellung entstanden, ist Hamburg in ihnen sehr präsent. Bei dem von Kazutaka Shioi etwa hat die Stadt das Material geliefert. Für sein an eine archäologische Fundstätte erinnerndes Ensemble hat er Blätter und Zweige gesammelt und aus Metall nachgeformt. Jetzt stellt er vergängliche Natur und solide Metallobjekte nebeneinander aus. Darüber hinaus teilt er seine Stadtwahrnehmung mit den Besuchern: Unter dem Titel Die Haut der Stadt fertigt er vor Ort sogenannte Frottagen an, bei denen Oberflächen von Gebäuden und Straßen auf traditionelles japanisches Papier übertragen werden.
Die jüngste Künstlerin der Ausstellung, die 25-jährige Maika Tsukahara, teilt den Entstehungsprozess ihrer filigranen, an menschliche Organe erinnernden Zeichnungen ebenfalls mit den Besuchern. Sie arbeitet fast täglich im Westwerk an ihnen.
Die Künstler aus Fukuoka produzieren nicht nur live im Westwerk, sie laden auch zum Mitmachen ein. So geht der Videokünstler Kumpei Miyata auf die Straße und versucht, mit den Hamburgern in Kontakt zu kommen. Er setzt sich in einer interaktiven Performance ganz bewusst der fremden Stadt und der fremden Sprache aus. Das sei wie in Lost in Translation, nur umgekehrt, sagt die Organisatorin Kawabe in Anspielung auf den Film von Sofia Coppola, in dem sich ein alternder US-Filmstar in Tokio zurechtfinden muss.
Die Arbeit von Miyata verdeutlicht, dass es in der Ausstellung stark um das Umfeld geht, in dem Künstler arbeiten. Naho Kawabe erzählt, dass man auch in Fukuoka meist nicht von Kunst allein leben könne – viele junge Künstler müssten nach ihrem Studium Brotjobs nachgehen, um sich ihren Lifestyle leisten zu können. Noch ein Punkt, der deutlich macht, wie ähnlich sich die beiden Städte trotz ihrer geografischen Entfernung sind.
Hamburg hat seit Langem eine besondere Beziehung zu Japan. Bereits 1883 war das asiatische Land mit einem Generalkonsulat in der Stadt vertreten, heute leben rund 1.700 Japaner hier. Im Museum für Kunst und Gewerbe lagern erstklassige alte Farbholzschnitte und im museumseigenen Pavillon kann man sich in die japanische Teezeremonie einweisen lassen. Zudem existiert mit der Partnerstadt Osaka ein Kunstaustauschprogramm. Für einen künstlerischen Blick ins Japan der Gegenwart besteht im Westwerk noch bis zum 18. Dezember die Gelegenheit.
Die Ausstellung „Lifestyles“ im Westwerk kann montags bis freitags von 15 bis 19 Uhr und am Samstag und Sonntag von 14 bis 18 Uhr besucht werden.