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FC St. Pauli - 1. FC Kaiserslautern

Da hilft nur das Phrasenschwein

 

Trotz reichlich Schwung hat gegen Kaiserslautern die beste Saisonleistung nicht zum Sieg gereicht. Und die Konkurrenz hat auch gewonnen. Deshalb wird’s nun abgedroschen.

Es gibt auf vielen Konferenztischen ein Säugetier aus Porzellan. Sein Name ist Phrasenschwein. Gefüttert wird es normalerweise mit fünf Euro – immer dann, wenn einer in komplexen Diskussionen dem Niveau nicht gewachsen ist und daher zu einer abgedroschenen Phrase greift. Phrasen haben oft eine dümmliche, peinliche Note, deswegen die Geldstrafe. Aber es gibt Momente, da darf man um Nachsicht bitten. Wir würden gerne, ohne fünf Euro zahlen zu müssen, in unserer Analyse zum letzten Spiel von St. Pauli eine Phrase dreschen. Sie lautet so: „Nur ein Tor hat gefehlt.“

Es war wirklich das einzige, woran es uns am Freitagabend elementar mangelte. Die Partie gegen den 1. FC Kaiserslautern endete 0:0. Wie nie zuvor trifft die Binse hier exakt den Punkt. Sie ist gerechtfertigter als bei früheren Gelegenheiten in der deutschen Fußballwelt, als zum Beispiel Martin Oslislo, der Trainer von SpVgg Osterhofen-Altenmarkt aus der Landesliga Mitte, nach dem 0:0 gegen Ettmannsdorf im November 2015 behauptet hatte: „Das einzige, was fehlte, war das Tor!“ Oder als Fabian Lustenberger von Hertha BSC im Februar 2016 meinte: „Das zweite Tor hat gefehlt.“ Oder als Manuel Neuer kürzlich nach dem WM-Qualispiel gegen Tschechien reflektierte: „Da hat nur das dritte Tor gefehlt.“ Oder als Huub Stevens im November 2015 als Hoffenheim-Trainer verlautbarte: „Das vierte Tor hat gefehlt.“

Am Freitag war (fast) alles da. Wir trafen zweimal Aluminium, einmal per Kopf, einmal per Fuß. Wir sahen auffallend wenig hohe Bälle. Wir durften beobachten, wie ein gerade mal 20-jähriger Richard Neudecker in die Rolle des Spielmachers und Vorkämpfers hineinwächst. Unser eingewechselter Ersatztorhüter Philipp Heerwagen parierte einen Elfer, indem er seinen Gegner Zoltán Stieber zwang, daneben zu schießen. Ewald Lienen attestierte seiner Mannschaft im Nachhinein: „Sie hat alles investiert.“ Und auch das Publikum produzierte, als es merkte, dass an diesem Abend endlich etwas anders war, wieder einmal so viele Dezibel, dass sogar die Lautern-Spieler schwer beeindruckt waren: „Die Stimmung war der Hammer“, sagte Robin Koch. „Die Stimmung am Millerntor war grandios“, sprach Lukas Görtler.

Kann man zufrieden sein, wenn „nur“ ein Tor fehlt? Sollte man sich mit Lienen nach elf sieglosen Spielen hintereinander über das „winzig kleine Zeichen“ freuen? Soll man den Optimismus von Lasse Sobiech teilen, der nach kämpferischer, aber vom Fußballgott knauserig belohnten Leistung bemerkte, dass uns „irgendwann auch mal wieder ein Tor gelingen wird“?

Einen Punkt gut gemacht auf die Konkurrenz. Darüber haben wir uns am Freitag ein bisschen gefreut. Aber leider brauchen wir heute starke Argumente, um bei unserer Meinung zu bleiben. Denn die Spielverläufe vom Samstag und vom Sonntag belegen eine weitere Binsenwahrheit: Mit einem Punkt kommt man der Konkurrenz nur einen Punkt näher, wenn diese nicht punktet.

Ausgerechnet das ist passiert. Während wir am 15. Spieltag ein Pünktchen knabberten, schlugen sich Arminia Bielefeld und 1860 München ihre Ranzen mit Dreiern voll. Deren Gegnern hat nicht nur „ein Tor gefehlt“, sondern zwei zum Sieg. Schaut man daher am Ende dieses Spieltags auf die Tabelle, braucht man stabile Nerven. Der Blick auf die Rangliste sagt uns: Der Gewinn eines Punktes bedeutet, dass unser Rückstand und unsere Probleme größer geworden sind.

Dies ist die rein rechnerische Sicht der Dinge. Wer allerdings das Spiel am Freitag gesehen hat, muss sich vom jüngsten Wachsen der Abstände nicht zwingend aus der Ruhe bringen lassen. Der Abstand zum Sieg ist schließlich kleiner geworden. Der Optimismus ein wenig größer. Und endlich konnte man es wieder mal hören nach dem Spiel, ohne dass es deprimierend oder verzweifelt klang: „You’ll Never Walk Alone!“