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Iron Maiden in Hamburg

Ihnen gehört der Heavy-Metal-Thron

 

Viel Tradition, keine Schwächen: Die Briten von Iron Maiden lieferten fast zwei Stunden intensiven Heavy Metal. Das schon etwas ältliche Hamburger Publikum hielt mit.

Warum gerade Iron Maiden? Warum konnte sich ausgerechnet diese Band aus der New Wave of British Heavy Metal, die um 1980 über die Insel fegte, an die Weltspitze schieben, während nahezu alle anderen Kollegen – von Angel Witch bis Saxon – nur Nische oder bestenfalls zweite Reihe blieben? Die Antwort gaben die Eisernen an ihrem Konzertabend in der Barclaycard Arena in Hamburg.

Es ist der zweite Teil der Welttournee zum gefeierten 16. Studioalbum The Book of Souls, im vergangenen Jahr bespielten die Briten bereits 36 Länder auf sechs Kontinenten. Das Hamburg-Konzert war 2016 noch nicht angekündigt worden – wer Iron Maiden nicht verpassen wollte, zog es deswegen zum Beispiel nach Berlin. Vielleicht ist das der Grund, warum die Massen, die sich heute in die nicht ausverkaufte Halle in Stellingen schieben, etwas behäbig wirken. Die wildesten, ungeduldigsten Fans haben diese Tour womöglich schon besucht. Recht hoch ist der Altersschnitt unter den Maiden-Jüngern an diesem Dienstagabend.

Während draußen unermüdlich der Regen fällt, füllt sich die Halle allmählich. Knüppelvoll wird es aber bis zum Schluss nicht. Zunächst übernehmen Shinedown das Ruder, um die Hamburger auf Betriebstemperatur zu bringen. Das gelingt leidlich. Der Sound der Amerikaner, irgendwo zwischen melodischem Hard Rock und Grunge, tut niemandem weh, bleibt aber nur in seltenen Momenten hängen. Vor allem scheint Frontmann Brent Smith die Bedeutung seiner Band – in den USA eine größere Nummer – hierzulande zu überschätzen: Minutenlange Publikumsspiele und Selbstbeweihräucherungen sind Shinedown, die eben nur Vorband von Iron Maiden sind, nicht würdig.

Die Langeweile beim Opener ist schnell vergessen, als sich nach dem obligatorischen Bühnenintro Doctor Doctor um kurz vor 21 Uhr der riesige Saal verdunkelt und ein Eröffnungsfilmchen über die Leinwände flimmert. The Book of Souls dreht sich um alte Maya-Prophezeiungen, passend dazu jagt das animierte Band-Maskottchen Eddie durch mittelamerikanische Ruinen. Das gesamte Bühnenbild steht zunächst im Zeichen der untergegangenen Kultur. Nach anfänglichen „Maiden, Maiden“-Sprechchören lauscht das Hamburger Publikum ehrfürchtig, als Sänger Bruce Dickinson erscheint und wie zu einem Ritual das A-Capella-Intro von If Eternity Should Fail durch die Arena hallen lässt.

Heavy Metal mit A Capella? Richtig. Mit dem aktuellen Album haben Iron Maiden gezeigt, dass sie auch nach rund 40 Jahren Bandgeschichte noch Ideen haben. Beleg dafür sind auch mehrere Songs jenseits der Zehn-Minuten-Grenze, von denen es zwei heute zu hören gibt. Deren langen Instrumental-Passagen werden für Dickinsons Stimmbänder zu einer willkommene Erholungspause.

Der 58-Jährige, der erst vor wenigen Jahren ein Zungenkarzinom besiegte, scheint indes überhaupt kein Interesse zu haben, sich zu schonen: Wie ein aufgeschreckter Affe im Käfig rennt er von einem Ende der Bühne zum anderen und wieder zurück, tanzt, springt und wirbelt mit dem Mikrofonständer. Was der umtriebige Mann wohl in seinen Tee bekommt? Schwächen zeigt Dickinson wenig an diesem Abend, Aussetzer sind eher dem Sound der Arena geschuldet.

Neue Ideen auf The Book of Souls hin oder her, wichtig ist bei Iron Maiden vor allem Tradition. Und so nehmen die drei Gitarristen Dave Murray, Adrian Smith und Janick Gers wie üblich ihre angestammten Positionen auf der Bühne ein, während Bassist und Bandgründer Steve Harris sportlich bleibt und ein immenses Laufpensum in kurzen Hosen absolviert. Traditionell auch der Auftritt eines der wohl wichtigsten Heavy-Metal-Symbole überhaupt: Beim Titelsong des Albums erscheint der überlebensgroße Eddie, wankt in bedrohlicher Maya-Kriegsbemalung über die Bühne und wird von Janick Gers getunnelt; schließlich darf Bruce Dickinson dem untoten Bühnenbegleiter in einem Kraftakt das Herz herausreißen und unter Jubelstürmen in die Menge werfen.

Iron Maiden haben an keinem Ende gespart und bieten ein Unterhaltungspaket, das sich gewaschen hat. Natürlich sind es weniger die aufwendigen Bühnenaufbauten, vielmehr die Entertainer-Qualitäten des Frontmannes, die den Legendenstatus der Band zementieren. Sei es, dass er beim Klassiker The Trooper in historischer britischer Uniform mit dem Union Jack in der Hand über die Bühne der Arena wirbelt und seine Kollegen ärgert; sei es, dass er mit einer Affenmütze bekleidet das jetzt schon zum Klassiker gewordene Climb-like-a-monkey-Spiel bei Death or Glory anleitet; sei es, dass er mit liebevollen Worten die gesamte Welt ermahnt, sich nicht von schlechten Menschen entzweien zu lassen – mit lausbübischen Spitzen freilich; man möge doch lieber den ganzen Tag Iron Maiden hören, Bier trinken und Sex haben!

Die größten Momente bei einem Konzert der Briten sind jene, wo das Publikum gefordert ist. Vielleicht ist der Enthusiasmus der Hansestadt nicht mit dem der Stadien von Südamerika vergleichbar. Doch wenn die Barclaycard Arena jedes Gitarrenriff von Fear of the Dark mitsingt oder einträchtig den Refrain von Blood Brothers schmettert, spürt man, dass Heavy Metal und Iron Maiden im Besonderen quicklebendig ins dritte Jahrzehnt dieses Jahrtausend gehen werden.

Traditionell geht es auch zu Ende. Nach Wasted Years, der letzten Nummer des Zugabenblocks, muss zwingend noch Always Look on the Bright Side of Life von Monty Python erklingen, vorher mag niemand gehen. Fast zwei Stunden haben Iron Maiden abgeliefert. So vital, wie die ganze Band bis hin zum fast 65-jährigen Schlagzeuger Nicko McBrain wirkt, braucht man sich keine Sorgen um ein Wiedersehen zu machen.