Der erste Schritt der Strukturreform ist geschafft – jetzt braucht der HSV neue Investoren und einen anderen Umgang mit den hohen Erwartungen.
Ich bin im letzten Herbst in den HSV eingetreten, weil ich davon genervt war, mir Jahr für Jahr ansehen zu müssen, wie der Verein durch Missmanagement sportlich vor die Hunde geht. Vor zwei Wochen war die Mitgliederversammlung im Volkspark und natürlich habe ich einige Stunden auf einem Plastiksitz ausgeharrt, um für die Strukturreform zu stimmen.
Man redet ja gerne davon, dass Veranstaltungen eine eigene Dynamik entfalten können. War im Vorfeld der Mitgliederversammlung noch unklar, ob wirklich die 75% bei der Abstimmung über die Strukturreform erreicht werden können, so wusste man bereits nach dem ersten Antrag zur Tagesordnung, dass die große Mehrheit der Anwesenden keine Lust mehr auf ein „Weiter so!“ hatten. Dementsprechend verlief dann auch die Veranstaltung, Otto Rieckhoff wurde für seine Vorstellung von HSVplus frenetisch gefeiert, während Jürgen Hunke und seine Mitstreiter wenig Gegenliebe erfahren durften. Hunke ließ es sich nicht nehmen, den letzten Beitrag in der Aussprache zu liefern und stand auf der Bühne wie eine Mischung aus Erich Mielke und Willy Loman aus Tod eines Handlungsreisenden: unfähig zu erkennen, dass sich Dinge verändern und ziemlich alleine in seiner Verklärung der Vergangenheit. Die Reaktion auf den Rängen war entsprechend und das Votum für die Strukturreform ist mit 86,9 Prozent dafür auch mehr als deutlich ausgefallen.
Aber bei aller Begeisterung dafür, das beim HSV endlich mal etwas passiert, bleiben bei mir einige Zweifel, die weniger mit der Struktur als mit den handelnden Akteuren und dem Zustand des HSV zu tun haben. Seit Jahren schon wird einzig Klaus-Michael Kühne als Mäzen und Investor präsentiert. Ich will hier gar nicht seine Motive diskutieren, aber ich finde es merkwürdig, wie sehr in diesem Bereich eine Alternativlosigkeit herrscht, obwohl Hamburg als reiche Stadt eigentlich über viele finanzkräftige Akteure verfügen sollte. Ich kann mir schwer vorstellen, dass die alle keine HSV-Fans sind und partout kein Geld über haben. Aber warum kann der Verein seit Jahren nur Herrn Kühne präsentieren? Ist das Image des HSV so angeschlagen, dass keines der großen und profitablen Hamburger Familienunternehmen sich hier engagieren mag? Der HSV kann sich nicht auf Dauer von nur einem Investor abhängig machen.
Ähnlich verhält es sich mit der Suche nach einem neuen Vorstandsvorsitzenden. Dietmar Beiersdorfer wurde frühzeitig als Wunschkandidat präsentiert, damit wurde eine riesige Projektionsfläche für Fans und Umfeld geschaffen. Sollte Beiersdorfer wie geplant Anfang Juli die Führung der HSV Fußball AG übernehmen, dann muss er zumindest zeigen, dass er über Wasser gehen kann, falls es mit den personellen Verstärkungen und der Meisterschaft nicht auf Anhieb klappen sollte.
Bislang warten wir Fans geduldig auf die Veränderungen. Aber da sich der neue Aufsichtsratsvorsitzende Karl Gernandt bislang nicht an das Motto „underpromise and overdeliver“ gehalten hat, sind Enttäuschungen bereits vorprogrammiert. Der Sommer wird entscheidend für die sportliche Zukunft des HSV in den kommenden Jahren sein. Ich lasse mich gerne positiv überraschen, möchte allerdings keine Alternativlosigkeiten mehr präsentiert bekommen, sondern zukünftig einen HSV sehen, der seine Optionen mit dem Ziel des sportlichen Erfolges voll ausschöpfen kann.