Country-Musiker Brent Cobb gehört zu den Neo-Traditionalisten der US-Südstaaten. Im Hamburger Nochtspeicher überzeugte er mit einem kleinen, aber feinen Auftritt.
„Warum Brent Cobb der Redneck-Paul-Simon ist“, überschrieb im Januar der amerikanische Rolling Stone seine Lobeshymne auf das Album Shine On Rainy Day, erschienen beim legendären Elektra-Plattenlabel. Den Begriff prägte sein Cousin Dave Cobb (42), der als einer der geschmackvollsten Singer-Songwriter- und Countryrock-Produzenten der Gegenwart gilt und der Platte des etwa zehn Jahre jüngeren Familienmitglieds Brent zu einem lupenreinen Vintage-Sound verhalf. Als Vinyl-Enthusiast erschafft Dave Cobb den warmen Klang der frühen Siebziger neu, als die Künstler des Genres Jerry Jeff Walker oder John Hartford hießen.
An Hartfords unsterblichen Evergreen Gentle On My Mind ist Solving Problems angelehnt, das erste Stück von Shine On Rainy Day; die fließenden Akkorde erklingen in der Mitte des Sets. Das zweite LP-Stück eröffnet den kleinen, aber feinen Showcase im Hamburger Nochtspeicher: South Of Atlanta setzt den Rahmen, der Song beschreibt die Vorzüge des Landlebens in gesunder Natur.
Dort, im ländlichen Georgia, ist der Sänger mit der warmen Baritonstimme aufgewachsen. Dort ist alles, was ihm etwas bedeutet, einschließlich einer offenbar intakten Familie. Wie selbstverständlich benutzt er diese ihm vertrauten Bilder für althergebrachte, aber unsentimentale Sujets. Das reicht von der Schwarzbrennerei seines Großvaters in Down In The Gulley bis zur ausgedehnten adoleszenten Lebensorientierung in Traveling Poor Boy.
Cobb spielt Akustikgitarre, ihm zur Seite steht ein amtlicher Picker: Mike Harris, vollbärtiger E-Gitarrist aus North Carolina, entlockt seiner Fender Telecaster genau die richtigen licks und twangs. Höchst fingerfertig, angenehm zurückhaltend. Auch seinem Back-up-Gesang merkt man lange Bühnenerfahrung an; er tourte bis 2015 mit der in Nordamerika nicht unbekannten Folkrock-Band The Apache Relay (drei Alben). In Brent Cobbs düsterer Selbstreflektion Black Crow lässt er gegen Ende die Slidegitarre gefährlich sirren.
Alle Stücke des Albums kommen zu Gehör, Cobb reiht sich damit ein in eine neue Riege mainstreamferner Neo-Traditionalisten aus den US-Südstaaten. Anderson East, Chris Stapleton, Margo Price, Nikki Lane und Jason Isbell sind nur einige dieser Namen. In den achtziger Jahren gab es schon einmal diese Rückbesinnung, weil der bombastische sogenannte Nashville-Sound nichts Ursprüngliches mehr übrig ließ, sondern nur noch Zuckerpop fürs Nachtprogramm. Dwight Yoakam, Randy Travis und George Strait sorgten für die Wende.
Brent Cobb erweist dem Wegbereiter Yoakam die Ehre und covert im Konzert dessen 1986er-Hitsingle Guitars, Cadillacs. Zweite Coverversion: Swamp Music von der Southernrock-Band Lynyrd Skynyrd. Swamp als Begriff, das steht auch für Southern Soul: Einige Nummern wie das LP-Titelstück sind – selbst ohne Rhythmusgruppe – schwül und funky, trotz äußerst niedriger BPM-Zahl.
Die Paul-Simon-Komponente betrifft also kaum die Musik, eher Brent Cobbs Qualitäten als Verfasser bildstarker, simpler Texte. Das haben schon vor Jahren andere Nashville-Künstler erkannt, die viele Cobb-Originale aufnahmen. Dass er selbst das Zeug zum Plattenstar hat, musste ihm erst sein Cousin einhämmern. Schlecht kann Brent zuletzt dennoch nicht gelebt haben. C&W-Superstar Kenny Chesney hievte den Song Don’t It auf die mit Gold ausgezeichnete Platte The Big Revival (2014). Die noch erfolgreichere Miranda Lambert nahm im selben Jahr Cobbs Old Shit auf. Dieses Stück von ihrem mit Platin prämierten Album Platinum (!) steht auch in Hamburg auf dem Programm.
Leider, berichtet er, wird ein derartig betiteltes Lied in den USA nicht im Radio gespielt. Wäre er damals so schlau gewesen wie heute, hätte er es Old Stuff genannt. Er singt diese Variante auch kurz vor, bringt mit Harris dann aber eine schöne Rockabilly-Boogie-Version des Originals, so wie es Miranda Lambert sang.
An deren Hit Sweet By And By versucht sich Cobb – nun allein auf der Bühne – in den Zugaben auf Zuruf, bricht aber angekündigterweise ab – Gitarrenakkorde unklar. Stattdessen setzt das eigene Come On Get Down, bisher unveröffentlicht, den zart gezupften, zu Herzen gehenden Schlusspunkt. Mit geschlossenen Augen die Strophen rekapitulierend, verabschiedet er sich als wahrlich authentischer No-Bullshit-Künstler. Südstaatenmatte mit Seitenscheitel, Zehntagebart und Jeans vervollständigen dieses Bild.
Ausdrücklich um das Erscheinen in Jeanskleidung hatte auch die Allman-Familie ihre Trauergäste zur Beisetzung von Gregg Allman am kommenden Pfingstsamstag gebeten. An dessen Sterbetag Ende Mai gehörte Ain’t Wastin’ Time No More der Southernrock-Begründer The Allman Brothers Band zu Brent Cobbs Setliste. Die Grabstätte des schon 1971 verstorbenen Bruders Duane Allman hatte er erst kürzlich in Macon, Georgia, mit Freunden besucht, wie er nach dem Konzert berichtet. Die Stadt liegt 100 km entfernt von seinem Heimatort Ellaville (2.000 Einwohner). „Am Grab hatten wir eine friedvolle Zeit“, erzählt er und ahmt den Zug an einer Rauchware nach. Beim Auseinandergehen verabschiedet er sich seiner Herkunft entsprechend: „Thank you, Sir.“