Ein Auswärtssieg des FC St. Pauli beim Tabellenführer Braunschweig ist der Startschuss zum Nichtabstieg. Exakt wie vor zwei Jahren.
Jan-Philipp Kalla, genannt „Schnecke“, wusste es. Auswärtsspiele bei Eintracht Braunschweig, so orakelte unser rekonvaleszentes Urgestein, bedeuten die Wende. Gefühlt war das immer so, statistisch immerhin einmal, vor zwei Jahren: „Das war damals eine Art Brustlöser für uns.“ Das Gastspiel bei den Niedersachsen im Frühjahr 2015 rettete eine Saison, die bis zu dem Zeitpunkt eine Grottensaison war. Keiner hatte mehr Pfifferlinge auf uns gesetzt, doch wir gewannen mit 2:0. Am Ende der Saison stand der Nichtabstieg. Und wer traf damals in die Maschen? Lasse Sobiech.
Es ist schön, dass sich Fußballgeschichte manchmal wiederholt. Bis ins Detail. Lasse Sobiech war gestern der Kopf auf dem Platz. Nicht nur, dass er bereits in der 7. Minute das Leder in die Braunschweiger Maschen schädelte (erstes Kopftor der Saison!), sondern er spielte auch hinten souverän. Er gewann kurzerhand jedes Kopfballduell, ohne Aufhebens, ohne Fisimatenten. Zudem hielt er als Kapitän (übrigens von lateinisch caput: der Kopf) souverän die Truppe in bissigem Zustand. Man of the Match.
Insofern gab es nichts zu mäkeln gestern. Auch die ewige Meckerecke Carlos hätte – wäre er nicht irgendwo versenkt geblieben an diesem historischen, wettermäßig trüben, resultatmäßig sonnigen Sonntag – nichts anderes zu bemerken gehabt als: Einsatz stimmt, sowohl läuferisch als auch grätschentechnisch; es wurde ansehnlicher Fußball gespielt; die Tore fielen auf einmal nicht für die andern.
Oder hätte Meckerecken-Carlos von der Gegengeraden doch ein Haar in der Suppe gefunden? Etwa mangelnde Chancenauswertung? Das wird er uns bestimmt am nächsten Sonntag verraten. Dann ist Heimspiel gegen Dynamo. Dann wird er wieder da stehen. Und Sachen sehen, die zum Meckern sind.
Es gab neben dem großen Auftritt von Lasse Sobiech weitere entscheidende Faktoren. Erstens die Fünferkette: Mit dem nimmermüden Nehrig als Panzersperre im Rückraum blockierten wir den bislang stärksten Sturm der Liga, zumindest über weite Strecken. Zweitens Cenk Şahin: Unser Fast-Tor-des-Jahres-Schütze ackerte wie gewohnt, dribbelte den Gegnern Knöpfe in die Beine und steuerte matcheintscheidend ein Assist und in der 72. Minute ein Tor bei. Ähnlich unterkühlt wie im Dezember bei seinem preisgekrönten Kontertreffer gegen SpVgg Greuther Fürth agierte er auch gegen die Niedersachsen, indem er im Eins-gegen-Eins das breitbeinige Stellungsspiel des Torhüters ausguckte und diesen souverän tunnelte. Şahin markiert im Team längst einen der Leistungsträger. Second Man of the Match.
Möchte man einen weiteren für das Lebenszeichen am 19. Spieltag verantwortlichen Faktor hervorheben, könnte man den Neuzugang Mats Møller Dæhli loben – auch wenn er k.o. ging. Bevor die Freiburger Leihgabe nach einem Crash mit Schönfeld in der 60. Minute vom Platz getragen wurde, zeigte er eine überragende Leistung.
Fand auch Ewald Lienen. Womit wir definitiv das Transfergeschehen in der Winterpause abschließend als positiv bewerten können: Der Norweger und der Stratege Flum aus Frankfurt haben beide eingeschlagen. Rückkehrer Lennart Thy, als dritter Neuer, wird es bald tun. Er hätte es in Braunschweig fast schon getan. Nach drei Minuten. Allein hätte er aufs Tor ziehen und noch vor Sobiech das Spiel lancieren können. Doch der Linienrichter hob den Arm, der Schiedrichter pfiff. Einzig ein krasser Fehlentscheid verhinderte ein letztes Mal, dass auch der dritte aus dem Transfer-Trio einschlägt.