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Prozess Diren Dede

Der Doppelprozess

 

In der Verhandlung gegen den Mann, der Diren Dede erschossen hat, geht es auch um unser Urteil über Amerika

Es ist auch in Missoula, Montana nicht erlaubt, einen Einbrecher in einem Akt vorgetäuschter Notwehr zu erschießen. Es kann andererseits auch in Deutschland erlaubt oder jedenfalls straffrei sein, einen Menschen ohne echte Bedrohung in einem Akt vermeintlicher Notwehr zu töten.

Am Montag hat in den USA der Prozess gegen jenen Mann begonnen, der Diren Dede erschossen hat, einen 17-jährigen Austauschschüler aus Hamburg, der auf dem Grundstück des Schützen nichts zu suchen hatte. Aber eigentlich finden nun zwei Prozesse statt. In Missoula verhandelt eine Jury über einen Fall vorgetäuschter oder vermeintlich erforderlicher Notwehr. Im Urteil der deutschen Öffentlichkeit scheint es eher darum zu gehen, ob die USA, dieses rätselhafte, bis an die Zähne bewaffnete Land, sich weiterhin eine Zivilisation nennen darf. Oder ob dort jeder Waffenbesitzer das Recht hat, harmlose Jugendliche umzubringen.

Vielleicht hilft es angesichts dieser beiden Verfahren, sich auf Werte zu besinnen, die wir mit den Amerikanern teilen: Wir glauben, wie sie, dass Unschuldige nicht verurteilt werden dürfen und dass Schuldigen ihre Schuld zweifelsfrei nachgewiesen werden muss. Gegen den Mann, der Diren Dede erschossen hat, wird ein Indizienprozess geführt. Es kann sein, dass am Ende kein klares Urteil möglich ist.

Einen Unterschied in unseren Wertvorstellungen sollten wir jedoch nicht vergessen, auch angesichts des zum Protest gegen die Todesstrafe grün beleuchteten Hamburger Rathauses: Als zivilisierter Europäer kann man nicht wollen, dass der Todesschütze zu der Höchststrafe verurteilt wird, die das Gesetz im Fall seiner Schuld vorsieht.