Die Bürgerschaftsfraktion der CDU hat ihre wichtigsten Fachleute verloren – wollten ihre Wähler das? Wohl kaum. Schuld ist das Wahlrecht
Die ausgetretenen Pfade der Debatte um Hamburgs inzwischen nicht mehr ganz so neues Wahlrecht führen oft zu einem Schluss: Vielen Wählern ist es zu kompliziert, lieber enthalten sie sich ihrer Stimmen, als sich in das Namensdurcheinander mehrseitiger Wahlzettel zu vertiefen. Also schadet dieses Wahlrecht der Demokratie.
Die jüngste Bürgerschaftswahl allerdings gibt Anlass zu einer völlig anderen Kritik: Was, wenn dieses Wahlrecht zu Resultaten führt, die zwar die Mehrheitsverhältnisse abbilden, im Übrigen aber aus Sicht vieler, wenn nicht der meisten Wähler unerwünscht sind?
Ist es wirklich plausibel anzunehmen, die CDU-Wähler hätten gewollt, dass ihre Partei in der neuen Bürgerschaft ohne Haushaltsexperten dasteht? Dass sie auch keinen Verkehrsexperten hat? Dass ein Kandidat für den normalerweise begehrtesten Posten, den Fraktionsvorsitz, mühsam gefunden werden muss, weil die naheliegenden Bewerber durch weitgehend unbekannte Kandidaten aus den Bezirken verdrängt wurden?
Mehr Demokratie – so lautet die Begründung für das komplizierte Hamburger Personenwahlrecht. Aber Demokratie ist kein zweckfreies Verfahren, sie hat einen Sinn: Sie soll die Freiheit der Bürger schützen und sicherstellen, dass politische Beschlüsse wenn schon nicht alle, so doch wenigstens möglichst viele zufriedenstellen.
Hätten die CDU-Wähler sich vor der Wahl verständigen können, sie hätten wahrscheinlich ein völlig anderes Ergebnis herbeigeführt: eines, das dem Resultat einer traditionellen zentral organisierten Listenwahl erheblich mehr ähnelt, als das Ergebnis dieser Wahl es tut. Mit einigem Recht kann man sagen: Ihre Freiheit, eine Interessenvertretung ihrer Wahl zu bestimmen, ist durch das neue Wahlrecht unnötig eingeschränkt worden. Und das soll ein Gewinn für die Demokratie sein?
Man könnte einwenden, es sei Sache der Parteien, ihre wichtigsten Kandidaten auf aussichtsreiche Listenplätze zu verteilen. Aber um zu wissen, welche Plätze auf einer Landesliste noch aussichtsreich sind, müsste eine Partei schon vor der Wahl ihr Ergebnis kennen.
Am Hamburger Wahlrecht mögen Basisdemokraten ihren Spaß haben, die in der Entmachtung von Parteizentralen einen Gewinn für die Demokratie sehen. Wer der Partei seiner Wahl Raum für eigene strategische Überlegungen lassen möchte, für den ist dieses Wahlrecht ein Rückschritt.